© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/20 / 13. November 2020

Kabinenklatsch
Rüdiger versteht die (Bild)Sprache nicht
Ronald Berthold

Es ist wieder Länderspielzeit. Doch mal ehrlich, wen interessiert das noch wirklich? Gut, wenn alle Gaststätten zu sind, schaut der eine oder andere an einem naßkalten Novemberabend vielleicht zu, wenn „Die Mannschaft“ kickt. Aber mit Leidenschaft?

Spätestens seit die Löw-Truppe, von den Medien äußerst kleingehalten, einen neuen Fall Özil hat, fällt das noch schwerer. Verteidiger Antonio Rüdiger, der seinen Glauben neuerdings durch einen langen Bart demonstriert, likte bei Instagram ein Foto, das den französischen Präsidenten mit einem Stiefelabdruck im Gesicht zeigt. Darunter standen Flüche gegen Emmanuel Macron, weil der angeblich den Islam beleidigt habe.

Natürlich gefiel das auch Mesut Özil, der den Türken-Sultan Erdogan sogar zu seinem Trauzeugen machte. Fotos mit dem Autokraten blieben folgenlos. „Der Mesut“ durfte bei der WM für das Land kicken, das er verachtet. Genauso wie Nationalelf-Kollege Ilkay Gündogan, der Erdogan sogar „meinen Präsidenten“ nannte. Gerechterweise schied die seelenlose Truppe als Letzter in der Vorrunde aus.

Daß der Ersatzspieler aus London trotzdem im Kader bleibt, ist ein Statement.

Gündogan ist heute noch dabei. Und Rüdiger darf auch bleiben. Jogi Löw, der einen türkischen Berater hat, genügt, daß sich der schwarze Hüne ein bißchen rausredete. Er habe die Sprache nicht verstanden – wobei einen Stiefeltritt ins Gesicht wohl jeder Analphabet kapiert. In Wirklichkeit geht es nicht um Macron, sondern um die Schlächterei der Muslime. Wer das verabscheut, ist ein Feind des Islam. Nur deswegen hat Rüdiger mit dem Franzosen ein Problem.

Zu diesem Schluß gehört keine große Intelligenzleistung. Man darf sie Löw zutrauen. Daß der Ersatzspieler aus London trotzdem zum Kader gehört, ist ein Statement. Und das verstehen die Fans. Warum noch für ein Team sein, in dem Fußballer spielen dürfen, die unsere Werte mit Füßen treten?

Ach, waren das noch Zeiten, als wir alle unsere Fähnchen raushängten, wenn Deutschland spielte. Gar nicht so lange her. Aber dieses Land ändert sich rasant. Das, was es mal ausmachte, gibt es nicht mehr. Auch nicht im Fußball.