© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/20 / 20. November 2020

Bundestag bringt neues Infektionsschutzgesetz auf den Weg
Hinterher abgenickt
Ulrich Vosgerau

Niemand soll sagen, die Grundrechte seien den Bayern wurscht. Kaum hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Gebot zur Schließung aller Fitneß-Studios aus Gleichbehandlungsgründen gekippt – schließlich mußten sonstige Sportstätten auch nicht schließen –,

kündigte die Staatsregierung Abhilfe an: Jetzt soll Indoor-Sport auf der ganzen Linie verboten werden.

Der Bundestag hat indessen einen neuen Paragraph 28a Infektionsschutzgesetz beschlossen, durch den alle bisher schon im Verordnungswege beschlossenen Maßnahmen (bis hin zu dem Verbot, seine Wohnung „ohne triftigen Grund“ zu verlassen) nunmehr gesetzlich vorgesehen werden. Denn daß die bisherige Generalklausel und die Verordnungsermächtigung des Infektionsschutzgesetzes der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts nicht genügten, war allzu offensichtlich.

Ist jetzt – obwohl eigentlich ja vorgesehen ist, daß der Bundestag sich die Gesetze vorher ausdenkt und nicht hinterher abnickt – wenigstens der verfassungsrechtlichen Form Genüge getan? Nein! Denn millionenfache, intensive Grundrechtsbeschränkungen gegenüber Unbeteiligten („Nichtstörern“) sind in der Sache Notstandsrecht. Sie wären nur aufgrund eines echten Notstandsartikels im Grundgesetz zulässig.






Dr. Ulrich Vosgerau ist habilitierter Verfassungsrechtler.