© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/20 / 20. November 2020

Wer hat Angst vorm weißen Mann?
Vor den Regionalrats- und Kommunalwahlen in Namibia: Präsident Hage Geingob macht Stimmung gegen weiße Wähler
Hermann Rössler

Seit der Unabhängigkeit Namibias 1990 stellt die Südwestafrikanische Volksorganisation (Swapo) in dem Land ohne Unterbrechung die Regierung. Ist nach 30 Jahren Durchregieren die Luft raus? Das vermutet zumindest die Vizepräsidentin der größten Oppositionspartei, Popular Democratic Movement (PDM). Jennifer van den Heever bilanzierte in einem Schreiben die Leistung der Partei: Die Swapo habe „die Wirtschaft ruiniert und die Hälfte der jungen Leute in Arbeitslosigkeit und verzweifelte Armut gestürzt“. 

Von 2014 bis 2020 stieg die Arbeitslosenquote von 18,5 auf 23,1 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank im selben Zeitraum von rund 12,5 Milliarden auf 10,25 Milliarden US-Dollar. 2018 erreichte das BIP einen Höhepunkt mit 13,45 Milliarden US-Dollar. 

Tatsächlich geriet die Swapo im Vorfeld der anstehenden Regionalrats- und Kommunalwahlen am 25. November vermehrt in die Kritik der Öffentlichkeit. Parteichef und Präsident Hage Gottfried Geingob hatte bei einer Live-Übertragung einer Wahlkampfrede im öffentlich-rechtlichen Fernsehen kritisiert, es hätten sich „weiße Leute in großer Zahl registriert“. Diese wollten alles außer Swapo wählen, was einer Kriegserklärung gleichkomme. Die PDM reichte daraufhin Klage beim Bürgerbeauftragten (Ombudsmann) ein. Das Zentrum für Rechtsbeihilfe und die Anwaltskammer nannten Geingobs Äußerung diskriminierend und sahen einen Verstoß gegen das Grundgesetz. 

Van den Heever: Swapo hat Angst vor Machtverlust 

Swapo-Generalsekretärin Sophia Shangwa stärkte Geingob indes den Rücken. Er habe sich lediglich einer Wahlkampfrhetorik bedient. Zugleich spielte Shangwa auf die Vergangenheit der PDM an, der sie vorwirft, „bei der Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Verunglimpfung von Schwarzen in Absprache mit der illegalen Apartheid-Regierung geholfen“ zu haben. Die „weißen Landsleute“ sollten ihren Fokus darauf legen, alle Formen von Ungerechtigkeit gegen die schwarze Mehrheit zu verurteilen, „die durch ein Jahrhundert kolonialer Unterdrückung und Aparheid verursacht wurden“.Van den Heever bezeichnete die Aussagen als „besorgniserregend“. 

„Befreiungsparteien stellen weiße Menschen als Sündeböcke dar, sobald sich ihr Machtgriff lockert.“ Die PDM vertrat vor der Unabhängigkeit Namibias, damals noch als Turnhallen-Allianz, einen gemäßigten Kurs gegenüber der Südafrikanischen Union. In Namibia ist die Wahl nach ethnischer Zugehörigkeit üblich. Die größte ethnische Gruppe stellen die Ovambo dar, die der Swapo regelmäßig die Mehrheit garantieren. Nach der Präsidenten- und Parlamentswahl im vergangenen Jahr zeichnen sich aber Veränderungen ab. Erreichte Geingob bei seiner Erstwahl zum Präsidenten 2014 noch 87,5 Prozent, mußte er 2019 einen Stimmenverlust von 31 Prozentpunkten hinnehmen. Die Swapo sicherte sich 2019 eine absolute Mehrheit mit 65,5 Prozent. Fünf Jahre zuvor waren es noch rund 20 Prozent mehr gewesen. Damit fehlt der Swapo im Parlament die Zweidrittelmehrheit. Die PDM profitierte von der Unzufriedenheit gegenüber der Regierung und verdreifachte im selben Zeitraum ihr Ergebnis auf 16,6 Prozent. 

Dennoch: Alle 14 namibischen Regionen lenkt die Swapo alleine. In den Regionalräten hat sie derzeit 109 von 121 Sitzen inne. In 54 von 57 Kommunalverwaltungen hat sie ebenfalls das Sagen.