© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 48/20 / 20. November 2020

Richtet sich die US-Presse neu aus?
Die Wahlen in den Vereinigten Staaten stellen rechte wie linke Medien vor Herausforderungen
Ronald Berthold

Der wahrscheinliche Wechsel im Weißen Haus ist auch eine Zeitenwende für die US-Medien. Die meisten haben zwar ihr Ziel erreicht, die Massen dazu zu bewegen, Donald Trump abzuwählen. Die mit Joe Biden als Präsident aufziehende politisch-mediale Harmonie bedeutet für die Konsumenten jedoch Langeweile. 

Damit drohen sinkende Reichweiten und weniger Einnahmen. Weitere Fragen beschäftigen nun die Branche: Verschärft sich die Zensur bei den sozialen Medien gegen Konservative weiter? Und: Steht bei Fox News eine Neuausrichtung an?

Auch im Internet nimmt der Druck zu

Journalisten der meisten TV-Anstalten und Zeitungen sowie die Demokraten haben gemeinsam den zum Todfeind (JF 45/20) erklärten Präsidenten geschlagen. Ein Pyrrhussieg? Ohne ständige Skandalisierungen, Aufreger und gegenseitige Beschimpfungen geht die Unterhaltung verloren, die das Publikum liebt. Sie brachte gute Quoten und Auflagen. Dem von Erregung lebenden Business steht eine Konsens-Periode bevor.

Ein Abwärtstrend ist bereits erkennbar. Nimmt man die Börse als Frühindikator, sieht es um den wichtigsten medialen Anti-Trump-Kämpfer nicht gut aus. Der Aktienkurs der New York Times, der mächtigsten Zeitung der USA, ging in den vergangenen drei Monaten stetig nach unten. Vom Höchststand am 7. August (47,81 Dollar) sank er auf rund 38 Dollar eine Woche nach der Wahl – ein Minus von 20 Prozent.

Eine Weile werden sich die Leitmedien noch an Trump abarbeiten. Doch die Spannung läßt nach, wenn Bidens Sieg unumstößlich feststeht. Indem Fernsehsender die Übertragung der Pressekonferenz abbrachen, bei der die Präsidentensprecherin Manipulationsvorwürfe erhob, schufen sie noch einmal ein aufsehenerregendes, allerdings selbstreferentielles Event. Das Land diskutierte mehr über die Entscheidung der Anstalten als über die Argumente des Weißen Hauses, die zudem nicht mehr zu hören waren.

Auch das hierzulande als „Trumps Lieblingssender“ apostrophierte Fox News machte keine Ausnahme. Tatsächlich berichtet das dem konservativen Medienmogul Rupert Murdoch gehörende Unternehmen zwar mit einer Tendenz zu Trump – aber ausgewogener als die linkslastigen ABC, CNN, NBC. In der Wahlnacht war es zuerst Fox, das das umkämpfte Arizona an Biden gab. Verantwortlich dafür war ein Ex-Berater der Demokraten, der die Hochrechnungen leitete. Ein Medium, das diesen wichtigen Posten so besetzt, kann man schwerlich als Haussender der Republikaner bezeichnen.

Es gehört zur Taktik der Anti-Trump-Medien, jeden Kollegen, der Skandale der Demokraten recherchiert, als einseitig zu stigmatisieren und ins Lager des Präsidenten zu stecken. Die ebenfalls Murdoch gehörende New York Post berichtete kurz vor der Wahl über weitere Verstrickungen des Biden-Sohnes Hunter im Zusammenhang mit der ukrainischen Korruptionsaffäre. Prompt galt das Blatt als „Trump-hörig“. Um so größer war die Überraschung, als die Zeitung nach dem Urnengang einen Text über „Trumps grundlose Wahlbetrugsbehauptungen“ druckte.

Ausgewogene Berichterstattung ist im politisch gespaltenen Amerika ein Fremdwort geworden, mit dem man sich dem Verdacht aussetzt, ein Abweichler zu sein. Es folgen Dämonisierung und Ausgrenzung durch die Konkurrenz, die einen Druck zur Gleichschaltung auslösen. Es liegt nahe, daß sich diese Tendenz unter einer Präsidentschaft Bidens verschärfen könnte. Der sich andeutende Bruch der Murdoch-Medien mit Trump ist ein wichtiges Signal, das die anderen Medien feiern.

Einseitig verhalten sich auch die Social-Media-Giganten. Während Twitter und Facebook die Verbreitung des Biden-kritischen Textes der Post blockierten, bleibt der vernichtende Artikel desselben Mediums über den Republikaner zugänglich. Twitter hatte bereits im Wahlkampf und in der Wahlnacht viele Tweets Trumps mit einem „Warnhinweis“ versehen oder gelöscht. Und Facebook verbot nach der Wahl Gruppen, in denen sich Anhänger des Präsidenten über mögliche Manipulationen der Ergebnisse austauschten.

Twitter sperrte außerdem den Account des prominenten nationalen Journalisten, Trump-Unterstützers und „Breitbart“-Gründers Steve Bannon. Facebook und Youtube löschten dessen Videos. Das rechte Lager verliert so weitere Standbeine, sich zu organisieren und zu informieren. Verfestigt sich dieser Trend, bleibt konservativen Medienmachern, die unter Trump ein breites Publikum erreichten, lediglich die Nische auf eigenen Internetseiten. 

Eine fundamental kritische Berichterstattung braucht der mutmaßlich neue Präsident Biden nicht zu fürchten. Ob das dem Journalismus allerdings sowohl wirtschaftlich als auch vom Image her nutzt, steht in Frage.