© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/20 / 27. November 2020

AfD
Demokratie statt Harmonie
Dieter Stein

Kurz vor ihrem unter Corona-Bedingungen stattfindenden Bundesparteitag verstärkt sich der Druck auf die AfD. Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) brachte jetzt sogar den absurden Vorschlag eines Parteiverbots ins Spiel. Dahinter steht die Absicht von Innenministern, die AfD einer schrittweisen Ächtung zu unterziehen, wie es in den 1990er Jahren bei den Republikanern erprobt wurde. Spekulationen über Prüffall, Beobachtung und Verbot sollen die scharfen Waffen der wehrhaften Demokratie zeigen.

Die AfD kämpft mit ihrem Erscheinungsbild: Vergangene Woche war AfD-Fraktionschef Alexander Gauland gezwungen, sich zu entschuldigen für das Verhalten von Personen, die als Gäste von AfD-Abgeordneten ins Reichstagsgebäude gelangt waren. Tatsächlich war es zu ungehörigen Szenen gekommen. Wer daraus aber die schwersten Zwischenfälle in der Bundestagsgeschichte konstruiert, macht sich lächerlich.

Das totale Übermaß der Gegenwehr, die ständige Gleichsetzung der AfD mit Rechtsextremisten, verstärkt – gewollt? – eine ohnehin vorhandene Wagenburgmentalität und wiederum schrille Töne bei der AfD. Der ständige diskriminierende Umgang mit der Partei scheint jenen recht zu geben, die sowieso der Auffassung sind, das „BRD-System“ sei nicht reformierbar und müsse „überwunden“ werden. Der Mißbrauch des Verfassungsschutzes im Konkurrenzkampf demokratischer Parteien vergiftet das politische Klima und untergräbt das Vertrauen in die Institutionen des Staates.

In der zweiten Dezemberwoche wird in Thüringen die Innenministerkonferenz tagen. Dort soll über die generelle Beobachtung der AfD gesprochen werden. Dies wird einen zusätzlichen Schatten auf den Bundesparteitag vorauswerfen.

Die Willkür des Verfassungsschutzes muß die AfD schon um des eigenen Überlebens willen angreifen. Entscheidend wird aber sein, die sträflich verschleppte und miserabel koordinierte juristische Abwehr massiv zu verstärken. Und letztlich die Kräfte in den Griff zu kriegen, die mutwillig immer wieder Anlässe provozieren, die AfD zu isolieren – Akteure, die am Ende von der Ächtung profitieren, weil sich dadurch die Gewichte endgültig zu ihren Gunsten verschieben.

Der AfD wird gelegentlich abwertend als „Störfall“ bezeichnet, der die Demokratie gefährde. Die AfD müsse deshalb gleichsam wie ein „Störfaktor“ ausgeschaltet werden, damit wieder Harmonie herrsche. Dabei ist echte Pluralität und Meinungsvielfalt, eine maßvolle Polarisierung in relevanten politischen Fragen die Essenz der Demokratie! Die AfD reüssierte überhaupt nur, weil die etablierten Parteien Felder räumten: in der Frage des Euro, der Migration, Gender und Familie, der Zukunft des Nationalstaates. Die AfD hat das Verdienst, den eintönig gewordenen demokratischen Streit belebt und Wahlen wieder relevant gemacht zu haben.