© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/20 / 27. November 2020

„Eigentlich müßte man es Mao-Institut nennen“
Chinas Kunfuzius-Institute: Sie kommen harmlos als Sprach- und Kulturvermittler daher. Doch Exil-Chinesen und Geheimdienste warnen
Hinrich Rohbohm

Ob neu gebildete asiatisch-pazifische Freihandelszone oder die „Belt and Road“-Initiative: China expandiert. Und mit der Expansion des bevölkerungsreichsten Landes steigt auch der Einfluß der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), die den Großstaat seit mehr als 70 Jahren beherrscht. Doch nicht nur wirtschaftlich und militärisch rüstet China auf. Auch auf dem kulturellen Sektor versucht die KPCh, ihren Einfluß auszubauen. Eines ihrer eingesetzten Instrumente: das Konfuzius-Institut. Eine Bildungsorganisation, mit der China offiziell seine Sprache und Kultur an Hochschulen fördert und die sich nur zu gern mit Deutschlands Goethe-Instituten vergleichen möchte. Doch der Vergleich hinkt.

Denn im Gegensatz zu den Goethe-Instituten unterliegen die Konfuzius-Institute den Weisungen der Propaganda­abteilung der KPCh. Mit einem Pilotprojekt war das Konfuzius-Institut im Jahre 2004 im usbekischen Taschkent gestartet. Heute zählt es über 500 Niederlassungen auf allen sechs besiedelten Kontinenten, tausend sollen es werden. Auch in Deutschland, wo es mit insgesamt 19 Instituten vertreten ist und sogar durch deutsche Steuergelder Unterstützung erfährt. Denn finanziert werden die Institute in den westlichen Industriestaaten jeweils zur Hälfte von China und dem jeweiligen Land. In den Entwicklungsländern übernimmt Peking hingegen die kompletten Kosten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ es sich nicht nehmen, im August 2016 höchstpersönlich ein Konfuzius-Institut in der in ihrem Bundestagswahlkreis befindlichen Ostseestadt Stralsund zu eröffnen. „Ich freue mich, daß es so ein Institut jetzt auch in meiner politischen Heimat gibt“, zeigte sie sich begeistert. Der Vertrag dafür war im Rahmen eines ein Jahr zuvor erfolgten Staatsbesuches der Kanzlerin in der Volksrepublik China zustande gekommen.

Institute für den „Aufbau einer sozialistischen Kultur“

Zum dreijährigen Jubiläum schickte die Kanzlerin ein schriftliches Grußwort, in dem sie ihre Freude über die „erfolgreiche Entwicklung“ des Instituts zum Ausdruck brachte. „Das Konfuzius-Institut Stralsund hat seit der Gründung mit seinen vielfältigen Angeboten bei den Menschen aus Stralsund und der Region das Interesse an der chinesischen Sprache und Kultur geweckt und bringt ihnen diese näher“, schrieb Merkel. Womit sie sich in trauter Nähe zur Linken-Politikerin Sevim Dagdelen befindet, die die Institute als „wichtige Foren des wissenschaftlichen und kulturellen Austausches mit China“ bezeichnet.

Alles zu einem Zeitpunkt, als längst Zweifel über den tatsächlichen Zweck der Konfuzius-Institute laut geworden waren. So stellte die Universität Düsseldorf im April dieses Jahres die Zusammenarbeit aufgrund der propagandistischen Einflußnahme durch die kommunistische Partei ein. Die Hamburger Universität wird zum Ende dieses Jahres folgen. Begründet wurde dies mit „Einflußnahme und Wissensabfluß“.

In Kanada und den USA war schon seit längerem Kritik an der versteckten Einflußnahme und Umdeutung der politischen und historischen Einordnung Chinas durch die Institute geübt worden. Und der China-Experte Andreas Fulda von der Universität Nottingham bezeichnet das Wirken der Institute als „Ideen-Wäsche“, wo politischer Propaganda „der Stempel der Unbedenklichkeit gegeben wird“.

Schon seit 2018 sollen sich die Institute auf Anordnung von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping verstärkt dem „Aufbau einer sozialistischen Kultur“ widmen. Tatsächlich unterstehen die Konfuzius-Institute dem chinesischen Bildungsministerium. Ihr kulturelles Programm wurde bis zum Sommer von „Hanban“ geleitet, chinesisch für Büro, seit Juli indessen vom Center for Language Education and Cooperation (CLEC) mit identischer Adresse und gleichem Direktorium. 

Hanban galt als die außenpolitische Kulturorganisation der Volksrepublik China. Zwölf Behörden und Staatsministerien waren in dessen Leitungsrat vertreten, unter anderem das Außenministerium sowie die Propaganda-Abteilung der KPCh. Und Hanban war es auch, daß die Richtlinien für die Arbeit der Institute festlegt.

Die Global Times, das Massenblatt der KPCh, habe am 5. Juli, dem Gründungstag des CLEC, „erstaunlich offen“ den Sinn der Umstrukturierung deutlich gemacht, so die Auswertung des Bundesamtes für Verfassungsschutz: „Indem man das Hanban durch eine ‘Nichtregierungsorganisation’ (NGO) ersetze, wolle man die ‘westliche Fehlinterpretation zerstreuen, die Organisation diene als Chinas ideologische Marketingmaschine’.“ Chinas einstiger Propagandachef Li Changchung bezeichnete die Konfuzius-Institute bereits ebenso offen als „wichtigen Teil der chinesischen Übersee-Propaganda“.

Und jemand, der mit dieser Propaganda nicht im Einklang steht, bekommt das deutlich zu spüren. Diese Erfahrung hatte auch Dominik Schulz (Name geändert) machen müssen, der an einem deutschen Konfuzius-Institut die Situation in Hongkong thematisieren und über die dortige Demokratiebewegung reden wollte. „Mir ist sehr klar zu verstehen gegeben worden, daß diese Thematik nicht erwünscht ist“, erzählt er der JUNGEN FREIHEIT. Ein weiterer Student hatte ein Referat über eine aus der KPCh ausgetretene Parteifunktionärin halten wollen. Ein Vorhaben, das ebenfalls bei der Institutsleitung mißbilligt worden war.

Vorgänge, die Yuhan Huang nur allzu bekannt vorkommen. Der 17jährige ist gebürtiger Festland-Chinese und in der südwestchinesischen Millionenstadt Kunming in der Provinz Yunnan aufgewachsen. Im Alter von 15 Jahren kam er nach Deutschland, im Rahmen eines schulischen Austauschprogramms.

Vor drei Monaten hatte er sich ein gelbes Pappschild zurechtgemacht und es mit einem Aufruf in deutscher und chinesischer Sprache beschrieben: „Der Ruhm gehört zu Hongkong. Nieder mit der Kommunistischen Partei Chinas.“ Mit dem Spruch stellte er sich vor die chinesische Botschaft in Berlin. Allein.

„Nicht die Kultur Chinas, sondern die der Partei“

Wir treffen Yuhan in einem Park in Göttingen, wo er derzeit die Schule besucht. Er ist so etwas wie das Gegenstück zu Greta Thunberg. Während sich die junge Schwedin alle möglichen Informationen über die Gefahren eines Klimawandels einverleibt, beschäftigt sich der in etwa gleichaltrige Yuhan Huang auf ähnlich intensive Weise mit den Gefahren durch die Kommunistische Partei.

„Als ich vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen bin, glaubte auch ich noch an die KPCh“, beginnt er zu erzählen. Er war so aufgewachsen. Während seines Schulunterrichtes in China gab es nur diesen einen Glauben, der staatlich verordnet wurde: den an die Partei. Dann kommt er nach Deutschland. Und trifft auf eine für ihn vollkommen neue Welt.

„Erst in Deutschland habe ich von dem Massaker der Kommunisten gegen die Demonstranten auf dem Tiananmen-Platz in Peking erfahren. Im Schulunterricht hat man uns davon nichts erzählt und auch sonst nirgendwo.“

Die Massenmorde an über 30 Millionen Chinesen, die Folterungen, die Straflager, die öffentlichen Demütigungen sogenannter „Abweichler“ oder etwa die als Folge des „Großen Sprunges nach vorn“ eingetretene Hungersnot während der Amtszeit Maos würden im Rahmen des Unterrichts zwar eingeräumt. Jedoch stets mit dem Verweis, daß Mao eben auch „ein paar Fehler“ begangen habe. In der Gesamtbetrachtung sei er jedoch ein großer Staatsmann, der das Land nach vorn gebracht habe. Das ist in etwa so zynisch, als wenn in Deutschland jemand Hitler als großen Staatsmann bezeichnen würde, der in bezug auf den Holocaust nur eben „ein paar Fehler“ gemacht hätte.

„Ich glaubte das alles. In China hatte ich keinen Zugang zu YouTube, Facebook, WhatsApp oder Instagram. Ich bekam nur die Propaganda der Partei zu hören“, erzählt Yuhan der JF. In Deutschland begann er dann, die zahlreichen frei zugänglichen Informationen förmlich aufzusaugen. Heute bezeichnet er sich als Antikommunisten, der sich für eine „christliche Demokratie“ einsetzen möchte. Inzwischen ist er sogar in die CDU eingetreten. Den Kurs Merkels und insbesondere die China-Politik der Kanzlerin sieht er allerdings kritisch, hofft nach ihrem Abtritt auf einen konservativeren Kurs der Partei und eine entschlossenere Positionierung gegen die Verbrechen der KPCh, gegen die er nun gemeinsam mit Uiguren, Tibetern, Taiwanern und Hongkong-Chinesen demonstriert.

Um so entsetzter ist er, als er in Göttingen auf das Konfuzius-Institut und damit verbunden auf eine ihm nur allzu vertraute Form der Propaganda stößt. „Dieses Institut ist für Deutschland sehr gefährlich. Eigentlich müßte man es Mao-Institut nennen“, warnt er. Denn mit Konfuzius habe die Einrichtung nichts gemeinsam.

Im Gegenteil: „Die Konfuzius-Institute repräsentieren nicht die chinesische Kultur, sondern die Kultur der Kommunistischen Partei Chinas“, sagt der 17jährige. Auch die meisten Lehrer und Lehrbücher kämen aus China. Über Themen wie die Situation der Uiguren oder Hongkong könne man nicht sprechen: Für Yuhan Huang ein deutliches Zeichen für einen „Mangel an akademischer Freiheit und Redefreiheit. Das steht in einem ernsten Widerspruch zum Grundsatz der Meinungsfreiheit in Deutschland.“ Auch sein Eindruck ist: „Neben dem Chinesischunterricht besteht der Hauptzweck der Institution darin, die totalitäre Ideologie der KPCh zu fördern.“

In Kanada und den USA habe es schon vor Jahren Hinweise darauf gegeben, daß die Mitarbeiter des Konfuzius-Instituts die chinesische Regierung bei der Überwachung lokaler chinesischer Studenten und anderer Chinesen im Ausland unterstützt hätten. Entsprechend groß seien Verunsicherung und Mißtrauen bei der KPCh kritisch gegenüberstehenden Studenten.

Auch der deutsche Verfassungsschutz warnte erst im Oktober vor den Instituten. Diese seien „explizit als Instrument zur Stärkung der Soft Power Chinas im Ausland“ gegründet worden. Belgien griff bereits durch: Nach Hinweisen des Geheimdienstes wurde das Brüsseler Institut geschlossen und der chinesische Direktor wegen Spionageverdachts des Landes verwiesen.

Die Bundeskanzlerin scheint da auffällig wenig problemorientiert zu sein. Wenige Monate vor der Eröffnung des Konfuzius-Instituts in ihrem Bundestagswahlkreis erhielt Angela Merkel die Ehrendoktorwürde der linkslastigen Göttinger Partneruniversität in Nanjing, die bereits seit 1984 als deren strategischer Partner fungiert – verliehen in der Akademie der Wissenschaften von Peking. Merkel werde die Ehrung wegen ihrer Verdienste um die Beziehungen zwischen der Volksrepublik China und Deutschland zuteil. Und auch wegen ihrer pragmatischen China-Politik, erklärte der damalige Akademie-Präsident Ding Zhongli. Auch der Präsident der Nanjinger Universität fand lobende Worte und würdigte ihr Engagement in der Flüchtlingskrise und gegen den Klimawandel. Mit Entschlossenheit und Weisheit habe sie damit einen Beitrag zum Weltfrieden geleistet.