© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/20 / 27. November 2020

Der deutsche Traditionskonzern Bayer wurde zugrunde gerichtet
Aktie mit Potential
Thomas Kirchner

Nicht nur Minister mit erschummeltem Doktortitel bleiben im Amt. Auch als Chef eines Dax-Unternehmens hat man nichts zu befürchten, wenn einem die Hauptversammlung das Vertrauen entzieht. Lebender Beweis ist Werner Baumann, der als Bayer-Chef weiter die Verantwortung für über 100.000 Mitarbeiter trägt. Der Aufsichtsrat verlängerte seinen Vertrag sogar bis 2024.

Baumann übernahm 2016 einen auf drei Säulen fokussierten Konzern: Pharmazie, Gesundheit und Agrarprodukte. Randbereiche waren ausgegliedert worden: Covestro (Werkstoffe) 2015 und Lanxess (Spezialchemie) schon 2005. Baumann verkaufte die Tiermedikamentensparte für 6,9 Milliarden Dollar an den US-Konkurrenten Elanco. Wäre da nicht die Übernahme von Monsanto, würde Bayer heute gut dastehen. Seit der Ankündigung der Übernahme des „Glyphosat“-Konzerns 2016 hat die Bayer-Aktie etwa 42 Prozent verloren, während der Dax um 32 Prozent zulegte. Umsätze und Gewinne sind seither nur geringfügig gestiegen, der Cashflow ist sogar gesunken. Die Schulden betragen 35 Milliarden Euro – was bei Barreserven von 15 Milliarden nicht viel wäre, gäbe es nicht voraussichtlich zwölf Milliarden Dollar an potentiellen Verbindlichkeiten aus den Roundup-Prozessen (JF 2/19). Hätte Baumann ein wenig gewartet, könnte er heute die Konkursmasse Monsantos für einen Bruchteil der von ihm gezahlten 65 Milliarden Dollar kaufen.

Trotz steigender Getreidepreise hat Bayer Probleme mit Agrarprodukten. Wegen Corona sind die Umsätze dort um 23 Prozent gesunken. Während Covid-19 bei anderen Konzernen für neue Rekorde sorgt (JF 48/20), sinkt der Bayer-Umsatz im Pharmabereich um 23 Prozent. Die Bewertung der Aktie ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von nur 7,5 halb bis ein Drittel so hoch wie die anderer Pharmafirmen. Viele Agrarchemiekonzerne haben ähnliche Bewertungen. Die Aktie hat Potential – aber nur ohne Vorstandschef Baumann.