© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/20 / 27. November 2020

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Totensonntag. Bei prächtigstem Herbstwetter spaziere ich durch den Park des Humboldt-Schlosses. Das Elternhaus der Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt, noch heute im privaten Familienbesitz der Nachkommen, geht auf einen 1558 errichteten Renaissancebau Joachims II., Kurfürst von Brandenburg, zurück. Seit 1766 im Besitz der Humboldts, ließ es der Bildungsreformer und Universitätsgründer Wilhelm von Humboldt zwischen 1820 und 1824 von Karl Friedrich Schinkel klassizistisch umbauen. Die Räumlichkeiten sind bis heute weitgehend erhalten, können derzeit aber wegen der Corona-Beschränkungen nicht besichtigt werden. Mein Ziel jedoch liegt ohnehin im hinteren Teil des Schloßparks, wo sich die ebenfalls von dem preußischen Baumeister Schinkel entworfene Familiengrabstätte befindet. Lange verharre ich dort vor der auf einer hohen Granitsäule scheinbar schwebenden, von dem dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen gestalteten Marmorskulptur der Spes (lat. Hoffnung) – und plötzlich läuft mir Friedrich Nietzsche über den Weg: „Die Hoffnung ist der Regenbogen über den herabstürzenden Bach des Lebens.“


Lesefrucht: „Man kann Columbus nicht vorwerfen, daß er die 500 Jahre später geltenden Maßstäbe nicht kannte. Schon die römischen Feldherren kolonisierten und nahmen den Germanen die Frauen, weil sie nicht wußten, daß das 2.000 Jahre später in den Genderstudiengängen nicht gut ankommen würde. Und die, die sie kolonisierten, waren auch keine Kinder von Traurigkeit. Schon die Gallier und Germanen waren nicht bekannt dafür, eine mit der Sensibilität heutiger Studenten vergleichbare Achtsamkeit zur Schau zu tragen. Wie lächerlich, von der Vergangenheit zu verlangen, sie habe die Maßstäbe der Gegenwart einzuhalten.“ (Kabarettist Dieter Nuhr in einem Interview mit der Welt am 14. November 2020)


Wer sich für die in meinen Streifzügen häufig empfohlene Krimireihe um den in der Bretagne ermittelnden Kommissar Georges Dupin interessiert, kommt an dieser Neuerscheinung nicht vorbei: „Die schönsten bretonischen Sagen“, im Verlag Kiepenheuer & Witsch herausgegeben von Jean-Luc Bannalec (Künstlername von dem Dupin-Autor Jörg Bong) und dem FAZ-Literaturredakteur Tilman Spreckelsen. Der illustrierte Band enthält 21 wundersame, der keltischen Sagen- und Märchenwelt entsprungene Geschichten, die „zum Wesen der Bretagne (gehören) wie ihre atemberaubende Natur“, darunter Abenteuer von König Artus. Empfehlenswert!