© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 49/20 / 27. November 2020

Die illustrierte Zeitungsbeilage „Der Rote Stern“
Dualistische Paradiesbilder
(ob)

Das Textmedium Zeitung wurde schon vor 1914 hart vom Bildmedium Illustrierte bedrängt. Vor allem die Berliner Illustrierte Zeitung erreichte mit wöchentlich 700.000 verkauften Exemplaren schnell eine deutlich höhere Auflage als jede unter den fast 10.000 Zeitungen der bilderlosen Konkurrenz. In der Weimarer Republik verstärkte sich der Trend durch mehrere bürgerliche und durch extreme politische Angebote wie die kommunistische Arbeiter-Illustrierte-Zeitung und den Illustrierten Beobachter der NSDAP. Die seit 1924 streng stalinistische Thälmann-KPD wollte da nicht zurückbleiben und legte ihrem Parteiorgan Rote Fahne 1925 den Bilderbogen Der Rote Stern bei, der, wie der Historiker Konrad Dussel errechnet hat, bis 1932 etwa 750.000mal verkauft wurde und drei Millionen Leser erreichte (Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 7/8-2020). Allerdings fanden hier „die Massen“ keine Unterhaltung und kaum Sport. Weil man nicht Isoliertes ohne Zusammenhänge vermitteln wollte. Statt dessen sei ein „dualistisches Weltbild“ in grellen Kontrasten bebildert worden. Hier düstere Einblicke in den „dekadenten Kapitalismus“, dort – im Vertrauen darauf, „Erfolge“ des Kommunismus überzeugten durch Fotos eher als durch Worte – heroisierende Bilderfluten vom endlosen Aufschwung im bolschewistischen Arbeiter- und Bauernparadies. 


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