© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/20 / 04. Dezember 2020

Nach Golde drängt doch alles
„Ausschuß gegen Rechtsextremismus und Rassismus“: Im Haushalt werden die Mittel für die Zivilgesellschaft kräftig aufgestockt
Michael Paulwitz

Eine Milliarde ist eine Ansage. Erst recht in Krisenzeiten, in denen viele den Gürtel enger schnallen und um ihre Existenz fürchten müssen. Noch im November verabschiedete der „Kabinettsausschuß gegen Rechtsextremismus und Rassismus“ ein umfangreiches Paket von insgesamt 89 „Maßnahmen“, für die in den kommenden vier Jahren mehr als eine Milliarde Euro zusätzlich aus dem Bundeshaushalt fließen sollen.

In Anbetracht von in rascher Folge verabschiedeten „Corona-Hilfspaketen“ mag die Zahl zunächst wenig spektakulär erscheinen. Tatsächlich bedeutet das Ausgabevolumen von 250 Millionen Euro jährlich im Zeitraum von 2021 bis 2024 eine Vervielfachung der im Rahmen des „Kampfes gegen Rechts“ ausgegebenen Steuermittel für die an sogenannte „zivilgesellschaftliche“ Organisationen ausgelagerte Beeinflussung des gesellschaftlichen Klimas. Zusätzlich zur nicht näher spezifizierten Maßnahmen-Milliarde hat die Bundesregierung für den Haushalt 2021 weitere 150 Millionen Euro beantragt. Den einschlägigen Akteuren winken nicht nur Erhalt und Verstetigung bestehender Strukturen, sondern auch eine Vielzahl neuer klientelpolitischer Betätigungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten.

Finanzierung halbstaatlicher Agenturen

Das finanzielle Engagement des Bundes für den „Kampf gegen Rechts“ kennt seit Jahren nur eine, allenfalls vorübergehend abgebremste Richtung: nach oben. Programme zur „Extremismus-Prävention“ fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) seit 2001, angestoßen durch den im Oktober 2000 vom damaligen SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder ausgerufenen „Aufstand der Anständigen“. 

Im Jahr 2014 ersetzte die damalige Ministerin Manuela Schwesig (SPD) die auslaufenden Programme durch das Bundesprogramm „Demokratie leben! – Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“. 2015 mit 40,5 Millionen Euro gestartet, stieg das Förderbudget schon im Folgejahr auf 50 Millionen und wurde im Bundestagswahljahr 2017 auf 104,5 Millionen Euro mehr als verdoppelt.

Vom Wahljahr 2021 an soll „Demokratie leben“, aktuell mit einem Jahresetat von rund 115 Millionen Euro ausgestattet, bis 2024 auf 200 Millionen Euro jährlich ausgebaut werden. Das ist jedoch nur ein Teil des neu ausgeschütteten Geldsegens. Die 89 Maßnahmen des Kabinettsausschusses, dem außer Bundeskanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Olaf Scholz auch die Bundesminister für Inneres, Auswärtiges, Justiz, Verteidigung, Familie und Bildung angehören, betreffen alle beteiligten Ressorts sowie die Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, Migration, Antisemitismus und für die „neuen Bundesländer“. Die meisten Vorhaben, 26 an der Zahl, sind bei Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) angesiedelt, gefolgt von Familienministerin Franziska Giffey (SPD) mit zwanzig Maßnahmen.

Den äußeren Anlaß für die weitere Aufrüstung im „Kampf gegen Rechts“ lieferten die von der Politik umgehend als „rechtsextremistisch“ und „rechtsterroristisch“ eingeordneten Anschläge von Halle und Hanau vor einem Jahr. Der daraufhin eingerichtete Kabinettsausschuß benötigte lediglich drei Sitzungen, um sein Füllhorn zu bestücken. 

Wer dabei den Ton angegeben hat, verraten die begleitenden Presseverlautbarungen: Der Maßnahmenkatalog berücksichtige die Stellungnahmen der „Vertreter der Zivilgesellschaft, insbesondere von Migrantenorganisationen“. Akteure wie die „Amadeu-Antonio-Stiftung“ oder die Migranten-Lobbygruppe „Neue deutsche Medienmacher“ hatten bereits seit geraumer Zeit die projektbezogene Finanzierung der bisherigen Programme kritisiert und auf unbefristete und dauerhafte Finanzierung auf gesetzlicher Grundlage gedrungen.

Dieser Wunsch scheint jetzt in Erfüllung zu gehen. Als Teil des Maßnahmenpakets durfte Ministerin Giffey in der ihr eigenen Kindergartensprache verkünden, man habe den Weg freigemacht für ein „Wehrhafte-Demokratie-Fördergesetz“, um „dauerhafte Demokratieförderung“ sicherzustellen. Gemeinsam mit dem Bundesinnenminister werde sie „zügig die nächsten Schritte dafür einleiten“. Als weiterer Transmissionsriemen für Lobbywünsche dürfte sich ein ebenfalls vorgesehener „gesellschaftlicher Beirat zur Förderung der wehrhaften Demokratie und gegen Rechtsextremismus und Rassismus“ erweisen, der die „Verzahnung“ von Programmen und Akteuren befördern soll.

Überblickt man den nach Zettelkastenart zusammengetragenen 89-Punkte-Katalog, bleibt kaum ein gesellschaftlicher Bereich, in dem nicht „Rassismus“-Gefahr und entsprechender Aufklärungs-, „Bildungs“- und Schulungsbedarf festgestellt worden wäre. Das Spektrum reicht von Erwachsenenbildung und Schule, Stadtteil- und Nachbarschaftsentwicklung, dem öffentlichen Dienst, Justiz und Sicherheitsbehörden sowie der Bundeswehr über die „Extremismusprävention“ in Internet und Medien, über Kunst, Kultur und Museen bis zur „Kolonialismusaufarbeitung“ und in die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. „Antirassismus“ als Querschnittsthema und sogar Exportschlager bietet damit also ein weites Betätigungsfeld für die vornehmlich rot-grün-linke Sozialpädagogen- und Aktivistenklientel von „Nichtregierungsorganisationen“ der sogenannten „Zivilgesellschaft“, die durch dauerhafte Finanzierung quasi zu halbstaatlichen Agenturen werden. Über mehrfach erwähnte Forschungsvorhaben zur „Islamfeindlichkeit“ wird insbesondere der Einfluß der fundamentalistischen Islam-Lobby gestärkt, die dieses Schlagwort erfunden hat; der von Seehofer bereits eingeführte „Unabhängige Expertenkreis Muslimfeindlichkeit“ ist mit Berichten und „Handlungsempfehlungen“ ebenfalls Teil der Agenda.

Ein weiteres Leitmotiv ist die „Teilhabe“ von Migranten, die wie selbstverständlich auch für dem Buchstaben nach temporär aufgenommene „Flüchtlinge“ gelten soll. Ihre Einbürgerung soll erleichtert und ihre Organisationen sollen „gestärkt“ werden. Gleich mehrere Punkte befassen sich mit der „Öffnung“ von öffentlichem Dienst und staatlichen Institutionen für gezielt anzuwerbende Migranten unter dem Zeichen der „Diversität“. Auf der anderen Seite sollen öffentlich Bedienstete, Polizisten und Soldaten nicht nur intensiver „geschult“ und „sensibilisiert“, sondern bei Verfehlungen auch leichter aus dem Dienst entfernt werden können. Die Zeichen stehen also auf massiven Umbau.

Die Argumente dafür werden Lagebilder und Studien zum „Rechtsextremismus“ in Sicherheits- und Streitkräften und allgemein im öffentlichen Dienst fraglos liefern. Auf diese Weise getarnt und erweitert ist auch die von Innenminister Seehofer ursprünglich abgelehnte Polizei-Rassismus-Studie indirekt mit auf der Liste, ebenso wie die von Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer bereits vorangetriebene engere Zusammenarbeit von Militärischem Abschirmdienst (MAD), Bundeskriminalamt (BKA) und Verfassungsschutz.

Die Extremismusklausel ist schon lange vom Tisch

Garniert wird das Paket mit plakativen Ankündigungen wie etwa, den Begriff „Rasse“ aus der Diskriminierungsverbotsliste im Grundgesetz zu streichen; da ist noch einiges an Begriffsakrobatik erforderlich, denn am „Antirassismus“ will man ja durchaus festhalten.

Wohin die Gelder fließen, wird trotz vagen Bekenntnissen zur „Evaluierung“ künftig noch schwerer zu kontrollieren sein, zumal wenn Finanzierungen auf dauerhafte Basis gestellt werden. Die „Extremismusklausel“, mit der CDU-Ministerin Kristina Schröder noch Linksextremisten vom Geldfluß ausschließen wollte, hat Manuela Schwesig bei der Neuordnung der Programme 2014 ebenso gekippt wie die meisten Programme zur Linksextremismus-Prävention.

Schwesigs Behauptung, Linksextremismus sei ein „aufgebauschtes Problem“, hat die Sicherheitslage seither nicht bestätigt. Mit islamischem und linkem Extremismus mag sich die Bundesregierung trotzdem nicht in dieser Intensität befassen, obwohl es da gerade im Bereich des Antisemitismus einiges aufzuklären gäbe. Es heiße „Kabinettsausschuß zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus“, erwiderte eine Regierungssprecherin ungehalten auf entsprechende Nachfrage. Dann ist ja alles klar.