© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/20 / 04. Dezember 2020

Der Unmut der Canarios wächst
Kanarische Inseln: Kaum Touristen aber dafür mehr und mehr Migranten, die in Hotels untergebracht werden
Marc Zoellner

Gerade einmal drei Wochen hielt die Freude unter den Einheimischen an, dann griffen erneut verschärfte Gesetze: Wer fortan auf die Kanarischen Inseln reisen möchte, benötigt seit Mitte November nicht nur einen negativen Corona-tTest. Er muß ebenfalls die spanische Corona-App auf sein Handy laden, die bis zu vierzehn Tage nach seiner Rückkehr nicht gelöscht werden darf. 

Erst am 24. Oktober wurde das kleine Inselparadies an der afrikanischen Atlantikküste offiziell von deutschen Behörden von der Liste der Risikogebiete gestrichen. 

Der kleine Hoffnungsschimmer auf den vom Tourismus lebensnotwendig abhängigen, zu Spanien gehörenden Eilanden verglomm schlagartig mit der Ankündigung der spanischen Regierung. „Seit März liegt die Wirtschaft brach“, berichtet eine ausgewanderte deutsche Reiseorganisatorin. „Wir haben siebzig Prozent Arbeitslosigkeit auf Fuerteventura. Den meisten Selbständigen droht die Pleite. Es gibt viele Leute hier, die bereits Hunger leiden.“

3.000 Migranten in der Touristenhochburg Mogán

Eine Gruppe älterer Herren sitzt bei Fanta und Zeitungslektüre in einem Straßencafé im kleinen Dorf Betancuria, der einstigen Hauptstadt der Insel. Die Corona-Pandemie ist nur eines der beherrschenden Themen ihrer Runde. In der Westsahara hat sich die Rebellengruppe Frente Polisario gegen die marokkanischen Besatzer erhoben. 

Ein neuer Krieg, der weitere Migranten auf die Kanaren bringt, ist zu befürchten. Fuerteventura liegt gerade einmal einhundertzwanzig Kilometer vom afrikanischen Festland entfernt. 

Ihre Furcht – ein weiterer Zustrom illegaler Migranten könnteauch die jüngsten Erfolge der Kanaren im Kampf gegen das Virus rasch zunichte machen: In diesem Jahr erreichten 18.000 illegale Migranten aus Westafrika die spanischen Inseln. 

Madrid drängt resolut auf eine Ausweisung der meisten Migranten zurück nach Festlandafrika. Und den kanarischen Behörden gehen rapide die Kapazitäten zur Unterbringung und Versorgung der Migranten aus – zu groß ist die Not schließlich auch unter der eigenen Bevölkerung im sonnigen Inselparadies, welches bis vor neun Monaten noch über vierzehn Millionen Devisen bringende Touristen jährlich aus aller Welt anlocken durfte.

Entsprechend kam es am vergangenen Wochenende in der Touristenhochburg Puerto Rico de Gran Canaria zu einem Protestzug von knapp eintausend Menschen, die die Abschiebung von Migranten und die „Rettung des Tourismus“ forderten. Sie fürchten vor allem, daß jede Chance auf eine Erholung des Tourismus zunichte gemacht werden könnte, wenn die etwas mehr als 3.000 Migranten, die in leerstehenden Apartments und Hotelzimmern im Bezirk Mogán übernachten – die freiwillig angeboten und gegen eine geringe Gebühr zur Verfügung gestellt werden –, weiterhin dort bleiben dürften.

Unterdessen hat die spanische Guardia Civil rund zwanzig Beamte in der Sahelzone stationiert, die die Aufgabe haben, an der Küste Senegals und Mauretaniens zu patrouillieren und lokale Polizeikräfte in Niger, Mali und Mauretanien auszubilden, um gegen die geschäftstüchtigen und erfolgreichen Schmugglerringe vorzugehen.