© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/20 / 04. Dezember 2020

Der liberale Präsident macht mobil
Rumänien kurz vor der Parlamentswahl: Schlechte Zeiten für die Sozialdemokraten
Paul Leonhard

Das Mißtrauen der Rumänen gegenüber Politikern und Parteien im allgemeinen ist traditionell gerade in bürgerlichen Kreisen tief ausgeprägt. Gestritten wird über die von der Regierung angeordneten Quarantäne- und Kontrollmaßnahmen, mit denen eine weitere Ausbreitung der Corona-Pandemie verhindert werden soll, aber auch über eine Impfpflicht für Kleinkinder und Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft. Insbesondere die Sozialdemokraten fördern Verschwörungstheorien und die aufkommende Angst der Bevölkerung vor einer ungewissen sozialen und wirtschaftlichen Zukunft. 

Langsamer Wandel des Parteienspektrums

So bescheinigt die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien (ADZ) der PSD und dem ihr hörigen Verfassungsgericht, eine Panik zu schüren, um die für den 6. Dezember angesetzte Parlamentswahl anzuschieben und damit ihre Parlamentsmehrheit noch möglichst lange zu behalten. Der „präsidial verhätschelten“ Minderheitsregierung der von Ludovic Orban geführten konservativen National-Liberalen (PNL) wirft die Zeitung dagegen mangelnde Effizienz, Kompetenz und Kaltschnäuzigkeit vor.

So ist es schon ein kleines Wunder, daß sich die PNL seit den vergangenen Parlamentswahlen eines beinahe stetigen Aufwärtstrends erfreut: von zehn Prozent 2016 auf derzeit – je nach Umfrageinstitut – Werte zwischen 31 und 35 Prozent. Und das, obwohl die Partei seit vergangenen November regiert, wenn auch ohne parlamentarische Mehrheit. 

Daß die Stimmung im Land aktuell nicht gut für die PSD ist, zeigten die Kommunalwahlen im September, bei denen sie zwar landesweit stärkste Kraft in den Kommunen und Regionen blieb, aber erheblich an Wählerstimmen einbüßte und unter anderem nicht mehr den Bürgermeister der Hauptstadt Bukarest stellt.

Insgesamt zeichne sich laut ADZ zwar ein Wandel im rumänischen Parteispektrum ab, doch suche man linke Kräfte vergeblich, und die Sozialdemokraten „bleiben in ihrem Modus der Selbstzerstörung“. Während die Minderheitenpartei Demokratische Union der Ungarn in Rumänien (UDMR) und die liberalkonservative Partidul Miscarea Populara (PMP) mit Werten um die fünf Prozent vor sich hindümpeln, liegen die dem liberalen Spektrum zuzuordnenden Union Rettet Rumänien (USR) und die Pro Romania (Pro) & Alianta Liberalilor Si Democratilor (Alde) relativ stabil bei 15 bzw. 13 Prozent. 

Ministerpräsident Orban führt das Land mangels konstruktiver Mehrheiten seit einem Jahr mit einer von den Sozialdemokraten weitgehend geduldeten einer Minderheitsregierung. Ursprünglich hatten die Sozialdemokraten bei den Parlamentswahlen im Dezember 2016 45 Prozent der Stimmen erhalten. Allerdings vermochte es die PSD nicht, eine stabile Regierungskoalition zu schmieden. 

Nach Regierungskrisen und Abspaltungen war der Machtverlust so groß, daß die Regierung im Oktober 2019 über einen Mißtrauensantrag zerbrach und der aus der deutschen Volksgruppe stammende Präsident Klaus Johannis den PNL-Vorsitzenden Orban mit der Regierungsbildung beauftragte. Johannis wurde dann als Kandidat der PNL im September mit 67 Prozent der Stimmen erneut zum Präsidenten gewählt.

In dem einen Jahr seiner Regierungszeit hat das Kabinett Orban relativ geräuschlos nationalliberale Wahlversprechen eingelöst. So wurde nach acht Monaten ein ambitionierter Wiederaufbau- und Investitionsplan vorgelegt. Dieser sieht eine bessere finanzielle Ausstattung des chronisch unterfinanzierten Bildungs- und Gesundheitssystems, eine Modernisierung der Infrastruktur sowie die Digitalisierung und Reform des öffentlichen Dienstes vor. Dafür sollen 33,5 Milliarden Euro aus dem Europäischen Wiederaufbaufonds eingesetzt werden. 

Die derzeit positiven Umfragewerte der regierenden Nationalliberalen dürften auch mit dem vergleichsweise erfolgreichen Kurs Rumäniens in der Corona-Krise zusammenhängen. Frühzeitig war im Frühjahr der nationale Notstand erklärt worden, und das bisher als unterfinanziert geltende staatliche Gesundheitssystem hatte sich als stabil erwiesen. Um der vom Lockdown schwer getroffenen Wirtschaft zu helfen, wurden Steuererleichterungen und -stundungen, staatliche Kreditgarantien sowie zinslose Darlehen für kleine und mittlere Unternehmen beschlossen und das deutsche Modell der Kurzarbeit eingeführt.

„Das Schicksal des Landes steht auf dem Spiel“

Wenige Tage vor dem Urnengang schwor Staatsoberhaupt Johannis die Rumänen noch einmal ein. Das Land sei völlig unvorbereitet in die beispiellose Corona-Krise gesteuert, erklärte er am vergangenen Dienstag im Cotroceni-Palast. „Hauptschuldige“ für die „Katastrophe“ sei die PSD. Parallel dazu betonte Johannis, daß Rumänien „jahrelang stark unter Korruption und Inkompetenz“ der PSD-Regierungen, die die „Entwicklung blockierten, nicht in die Infrastruktur investierten und öffentliche Mittel in die Parteiinfrastruktur“ fließen ließen, leiden mußte. Die Parlamentswahl, so der Präsident abschließend, sei daher ausschlaggebend für das Schicksal des Landes, das eine reformwillige Parlamentsmehrheit brauche, um die Korruption zu beenden, die Wirtschaft anzukurben, das Gesundheits- und Bildungssystem zu reformieren sowie um die Justizgesetze zu novellieren.