© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/20 / 04. Dezember 2020

Auftrumpfendes „Starkdeutsch“ auf dem Vormarsch
Infantile Superlativisten
(dg)

Die Festnahme eines Anwalts der Deutschen Botschaft in Ankara, empörte sich Heiko Maas im November 2019 in der „Tagesschau“, sei „in keinster Weise nachvollziehbar“. Mit diesem falschen Superlativ fällt der Bundesaußenminister in einem Kabinett zwar nicht weiter dumm auf, dessen Mitglieder zumeist nicht hinauskommen über das Restdeutsch der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) oder von Annette Widmann-Mauz (CDU), deren Staatsministerin für Integration und „Vielfaltskompetenz“. Trotzdem sind solche alltäglichen Ausrutscher für den Kieler Germanisten Winfried Ulrich als Symptome „törichter Übersteigerungs- und Bewertungstendenzen in der deutschen Gegenwartssprache“ ein Alarmzeichen (Wirkendes Wort, 1/2020). Denn Sprache spiegle die Mentalität der sie verwendenden Gesellschaft wider. Unsere in Politik, Presse und Werbung immer auffälliger zum „Starkdeutsch“ neigende Konsum- und Spaßgesellschaft trage verbal offenbar gern dicker auf, um eine Souveränität zu demonstrieren, die nur vorgetäuscht ist und die ihre Adressaten blenden soll. Wie Kinder würden sich die „Superlativisten“ unter den Politikern gern selbst loben, auch um sich vorbeugend gegen Kritik zu wappnen. Dementsprechend trete die Bundesregierung mit Gesetzen hervor, deren Titulierung nicht zufällig an Reklamestrategien erinnere, wenn sie „nicht eben bescheiden“ mit der Sache deren moralische und politische Bewertung gleich mitliefere. Das Ergebnis sei eine Reihe infantiler „Schöner-Namen-Gesetze“, die mit der Tradition nüchterner Gesetzesbezeichnung brechen: das „Gute-Kita-Gesetz“, das „Starke-Familien-Gesetz“, das „Faire-Kassenwahl-Gesetz“ und so weiter und so fort. 


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