© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/20 / 11. Dezember 2020

Grüße aus Bern
Aber keine Mandeln
Frank Liebermann

Gemäß einer Meinungsumfrage in einer großen Zeitung freuen sich fünfzig Prozent der Schweizer Bevölkerung auf den Besuch eines Weihnachtsmarkts. Dazu muß ich klarstellen: Ich gehöre zur anderen Hälfte. Après-Ski, Wintergrillen oder eben Weihnachtsmärkte, alles ist mit nerviger Musik, einem unnötigen Aufenthalt im Freien und billigem Fusel verbunden. Im Winter bevorzuge ich die wohlige Wärme meiner Heizung. Draußen ist feindlich, wie schon der Volksmund sagt.

Schon früh keimte bei mir die Hoffnung auf, ich könnte mich dieses Jahr vor einem Besuch drücken. Aber da macht mir die Verwaltung einen Strich durch die Rechnung. Corona hat eben in der Bundesstadt eine untergeordnete Bedeutung. Weihnachten ist wichtiger. 

Maskierte Menschen quälen sich durch die Menge, warum wissen sie wohl selbst nicht.

Während in Deutschland oder Österreich solch weihnachtliches Treiben aufgrund des Gesundheitsschutzes verboten wurde, läßt sich das im beschaulichen Bern niemand nehmen. Im Gegenteil. Als Metropole gibt es hier nicht nur einen Weihnachtsmarkt, es müssen gleich zwei sein. Vor dem dritten, der in normalen Zeiten auch noch ausgerichtet wird, bleiben wir nur verschont, weil diesen die Veranstalter selbst abgesagt haben. 

Auch dieses Jahr werde ich zu einem Besuch genötigt. Als wir am Weihnachtsmarkt auf dem Waisenhausplatz ankommen, habe ich schon die Hoffnung, mich zackig vom Acker machen zu können. Der riesige Glühweinstand mit Rentieren, stinkendem Fondue und pseudopeppiger amerikanischer Weihnachtsmusik fehlt dieses Jahr. Damit funktioniert mein Standardvorgehen leider nicht. Normalerweise trinke ich möglichst rasch ein paar Glühwein, mit einem kräftigen Extraschuß Rum. Dann ertrage ich alles besser. Wegen Corona gibt es außer Mandeln, Lebkuchen und Waffeln nichts zu essen, Getränke schon gar nicht. 

Die Stände sind identisch wie vermutlich überall auf der Welt. Es gibt Wollsocken, Gewürzmischungen, Kerzen, Holz und anderen Kitsch. Maskierte Menschen schieben sich gequält durch die Menge, warum wissen sie wohl selbst nicht. Einzig positiv ist das Verbot, außerhalb des privaten Kreises zu singen. Damit läßt sich großes Leid vermeiden. Vor allem an Bahnhöfen und auf Weihnachtsmärkten. 

Der Abend nimmt dann doch noch ein freudiges Ende. Da es keinen Glühwein gibt, kann ich alle davon überzeugen, in meinen Lieblingspub zu gehen. Dort gibt es Weihnachtsbier.