© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/20 / 11. Dezember 2020

Paukenschlag in Bukarest
Wahlen in Rumänien: Der Sieg der Sozialdemokraten bedeutet nicht, daß diese das Land wieder regieren werden
Paul Leonhard

Was für ein Paukenschlag in Rumänien. Gerade noch hatte der amtierende Ministerpräsident Ludovic Orban verkündet, seine Partei sei auch nach dem Ende der Auszählung der „moralische Sieger dieser Wahl“, da sah er sich auch schon zum Rückzug gezwungen: Seine nationalliberale Partei PNL, der seit Wochen alle Umfrageinstitute einen, wenn auch knappen Wahlsieg vor den oppositionellen Sozialdemokraten prognostiziert hatten, legte am Sonntag zwar kräftig gegenüber 2016 zu, verlor aber trotzdem die Parlamentswahlen wie bereits vor vier Jahren. Knapp 30 Prozent der Wähler hatten für die postkommunistischen Sozialdemokraten der PSD gestimmt. Was für diese allerdings einen Verlust von 15 Prozent der Wählerstimmen gegenüber 2016 bedeutet.

Zünglein an der Waage könnte diesmal die orthodoxe Kirche gewesen sein, die in Rumänien eher mit den aus der kommunistischen Partei hervorgegangenen Sozialdemokraten sympathisiert und wie diese die Versammlungsbeschränkungen der Regierung in der Corona-Pandemie immer wieder in Gottesdiensten kritisiert hatte. Ihr verdankt Orban auch seinen Spitznamen „LuCovid“. 

Andererseits führte die Angst vor dem Virus dazu, daß so wenige der knapp 19 Millionen registrieren wahlbrechtigten Rumänen wie noch nie an die Wahlurnen gingen, um über die Neubesetzung des Senats und des Parlaments zu entscheiden. Nur knapp 32 Prozent nahmen ihr Wahlrecht wahr.

Mitte-rechts-Parteien mit parlamentarischer Mehrheit 

Der Sieg der Sozialdemokraten bedeutet aber nicht, daß diese wieder regieren werden. Zwar hat PSD-Chef Marcel Ciolacu den Regierungsauftrag beansprucht, aber Präsident Klaus Johannis, der der PNL nahesteht, hat deutlich gemacht, daß die PSD „außerhalb des politischen Entscheidungsprozesses“ bleiben wird, auch weil ihr die Koalitionspartner für eine Mehrheit fehlen, und er auf eine Mitte-rechts-Regierung setzt.

Über eine Koalition aus Linksliberalen (25 Prozent), der neuen öko-liberalen Bürgerpartei USR-Plus (15 Prozent) und die Partei der ungarischen Volksgruppe UDMR (6,6 Prozent) war bereits vor der Wahl spekuliert worden, als noch unklar war, ob es die Ungarnpartei überhaupt über die Fünfprozenthürde schafft. 

Eine Zusammenarbeit mit der viertstärksten Kraft, der erst im September 2019 gegründeten, als ultranationalistisch und ungarnfeindlich geltenden und den Anschluß der Republik Moldau an Rumänien fordernden „Allianz für die Vereinigung der Rumänen“ (AUR), die neuen Prozent erreichte, hat Orban bereits ausgeschlossen, der parallel zu seinem Rücktritt als Regierungschef angekündigt hat, an den Verhandlungen über eine künftige Regierungskoalition teilnehmen zu wollen.

Insbesondere die als äußerst reformfreudige USR-Plus dürfte in einer Regierung darauf drängen, daß Rumänien nach außen seinen EU-freundlichen Kurs fortsetzt und nach innen endlich das umsetzt, was Orban in dem einen Jahr seiner Regierungszeit immer wieder versprochen hat: eine Modernisierung des Landes, mehr Transparenz und die Bekämpfung von Korruption und Vetternwirtschaft. So sollen öffentliche Aufträge online einsehbar sein und niemand mehr ein öffentliches Amt bekleiden dürfen, der strafrechtlich verurteilt wurde.