© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/20 / 11. Dezember 2020

Finanzielle Trendwende
Kleinod in Sachsen: Dem Käthe-Kollwitz-Museum bei Dresden droht die Schließung
Paul Leonhard

Das künstlerische und persönliche Erbe der Künstlerin Käthe Kollwitz ist weit verteilt: Für das Berliner Kupferstichkabinett sind ihre Werke ein Sammelschwerpunkt, die Konkurrenz aus Dresden verweist stolz auf mehr als 200 Werke im eigenen Besitz. Tagebücher, Briefe, Radierplatten und Lithosteine werden im Archiv der Akademie der Künste Berlin aufbewahrt, und im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg befinden sich Werke, die aus den Sammlungen des Museums von Königsberg stammen, jener Stadt, in der die spätere Grafikerin, Bildhauerin und Malerin als Käthe Schmidt am 8. Juli 1867 das Licht der Welt erblickte.

Und es gibt immerhin vier Museen, die sich dieser deutschen Ausnahmekünstlerin widmen: in Köln, Berlin, im belgischen Koekelare und in Moritzburg bei Dresden – aber nur einen authentisch erhaltenen Ort, an dem Kollwitz – wenn auch nur ein Dreivierteljahr – gelebt hat: eben jenen in dem vor allem durch sein prächtiges Wasserschloß bekannten Moritzburg, ein Ort, der zuletzt deutschlandweit Schlagzeilen machte, als illegale Schatzgräber hier Teile des Wettiner Schatzes fanden, die Angehörige des einstigen sächsischen Herrscherhauses 1945 vor ihrer Flucht vor der herannahenden Roten Armee vergraben hatten.

Die staatliche Unterstützung schrumpft

Die Wettiner, genauer gesagt, Prinz Ernst Heinrich von Sachsen, hatten auch Anteil daran, daß Kollwitz vom 22. Juli 1944 bis zu ihrem Tod am 22. April 1945 in Moritzburg lebte. Der Prinz hatte die vor den zunehmenden Bombenangriffen auf Berlin – im November 1943 wurde ihre Wohnung in der Weißenburger Straße samt Grafiken, Drucken und Druckplatten zerbombt – nach Nordhausen geflüchtete 76jährige in den in Sichtweite des Schlosses gelegenen Rüdenhof der Familie Graf zu Münster eingeladen, wo für sie zwei Zimmer eingerichtet wurden.

1995 wurde hier mit Unterstützung des Kölner Käthe-Kollwitz-Museums und der dortigen Kreissparkasse eine Gedenkstätte eingerichtet. Doch diese ist nun gefährdet, weil die in Sachsen unter CDU-Führung regierende schwarz-rot-grüne Koalition die knapper werdenden Finanzmittel lieber in Projekte linker Subkultur steckt, als in die Bewahrung wertvollen Kulturgutes.

So stellt der für die Verteilung der Gelder zuständige Kulturraum Meißen-Sächsische Schweiz-Osterzgebirge – in Sachsen gibt es acht derartiger Kulturräume, die über die Förderung von Kultureinrichtungen und Projekten eigenständig entscheiden – zwar knapp 100.000 Euro für die Unterhaltung von soziokulturellen Zentren zur Verfügung, streicht aber andererseits nach der Verabschiedung eines neuen Kriterienkatalogs seine Zuschüsse für das Käthe-Kollwitz-Haus – wobei den Verantwortlichen nicht einmal der Name der Künstlerin geläufig zu sein scheint, denn in der aktuellen Förderliste ist von „Käthe Kolwitz“ die Rede.

Die jährliche Unterstützung ist von einst 45.000 Euro – plus 6.000 bis 7.000 Euro für die museumspädagogische Arbeit – auf aktuell maximal 24.700 Euro geschrumpft. Allein an das Soziokulturelle Zentrum Freital fließen dagegen 56.000 Euro. Für das kommende Jahr stellt der Kulturraum, und damit das Land, lediglich 17.000 Euro bereit. Damit ist klar, daß es sich um keine Provinzposse, sondern eine Trendwende in der Förderpolitik des Freistaates handelt.

Und diese bringt auch die Gemeinde Moritzburg in Not, die bisher tapfer mehr als ihren erforderlichen Sitzgemeindeanteil von 22.750 Euro aufgebracht hat. Zwar bewilligte der Gemeinderat noch einmal 30.000 Euro für 2021, aber unter der Vorgabe, daß die Stiftung der Gedenkstätte ein tragfähiges Finanzkonzept für die nächsten Jahre vorlegt. Doch das dürfte ohne staatliche Unterstützung nicht möglich sein. Und hier geht es um keine Millionen, sondern lediglich um einen garantierten Zuschuß von 30.000 Euro im Jahr, den die Kölner Kreissparkasse ihrerseits bereits zugesagt hat.

Petition für den Erhalt der Gedenkstätte

Besonders aufgebracht hat die Moritzburger Gemeinde ein Gutachten, nach dem sie ihre Zuwendungen bis 2024 auf einen jährlichen Beitrag zwischen 58.000 und 88.000 Euro erhöhen müßte, um das Museum zu erhalten. Die Zeichen der Zeit aus dem Regierungssitz in Dresden glaubt der Moritzburger CDU-Gemeinderat Heinrich Gerhartz gedeutet zu haben. Die Ostpreußin Kollwitz sei ja eigentlich Berlinerin und habe mit „Moritzburg herzlich wenig zu tun, warum müssen wir dann eine Gedenkstätte finanzieren?“, argumentiere der Christdemokrat. Die einfachste Lösung wäre, daß die Stiftung bankrott gehe. Dann würden Grundstück und Gebäude an den Freistaat fallen und der sei in der Pflicht.

Ob Gerhartz auch noch darauf hin wies, daß Kollwitz eine bekennende Sozialistin war und einst einen Aufruf des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes zur Zusammenarbeit von KPD und SPD unterstützt hatte, ist nicht bekannt. Strafverschärfend ließe sich in die Argumentationskette noch einreihen, daß die Nationalsozialisten die Künstlerin in ihrer Berliner Ateliergemeinschaft relativ unbehelligt an ihrem Alterswerk weiterarbeiten ließen und die anschließend regierenden Einheitssozialisten sie als „proletarische Künstlerin“ vereinnahmten.

„Geht es bei dieser Geschichte nur ums Geld?“, heißt es in den Dresdner Neuesten Nachrichten: „Oder auch um den Umgang mit der Erinnerung an eine Künstlerin, die eine erfolgreiche und weltweit bekannte Vorkämpferin für Frauen in der männerdominierten Kunstwelt war, die noch dazu zeitlebens den Armen und Gebeutelten ein Gesicht gab?“ Und unter Verweis auf Gerhartz fügt Kulturredakteur Torsten Klaus hinzu: „Hat vielleicht einfach das Hinterland mal wieder den Kopf gehoben und auf unfeine Art seine Anwesenheit deutlich gemacht?“

Soweit will es das Dresdner Kulturbürgertum aber nicht kommen lassen. In der Landeshauptstadt schlägt nicht nur die bekannte Malerin, Grafikerin und Objektkünstlerin Angela Hampel Alarm. Mit dem Satz „Jetzt geht es wohl langsam ans Eingemachte ...“ warb sie per Rundschreiben „Freunde, Freundinnen und Bekannte“, eine Petition zu unterzeichnen, in der der Erhalt der Käthe-Kollwitz-Gedenkstätte in Moritzburg gefordert wird.

Darin wird noch einmal erinnert, daß der Rüdenhof ein wichtiger Erinnerungsort an eine berühmte, international bedeutende Künstlerin ist und in Moritzburg heute wichtige Dokumente und Kunstwerke aufbewahrt, gepflegt und öffentlich zugänglich gemacht werden. „Sachsen, der Landkreis, der Kulturkreis, die Gemeinde können stolz sein, dieses Museum und gleichzeitig ein solches Kleinod der Kunst und Kultur zu haben“, heißt es in der Petition, die inzwischen auch vom Künstlerbund Dresden und dem SPD-Ortsverein Radeburg-Moritzburg unterstützt wird: „Laßt gerade in Corona-Zeiten nicht zu, daß dieser Ort leise für immer zugeschlossen wird.“

Die Online-Petition zum Erhalt der Käthe-Kollwitz-Gedenkstätte in Moritzburg/ Rüdenhof haben bis zum Redaktionsschluß am Dienstag dieser Woche 1.205 Fürsprecher unterzeichnet.

 www.openpetition.de

 www.kollwitz-moritzburg.de