© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/20 / 11. Dezember 2020

Zeitschriftenkritik: Cato
Deutsche Zustände heute und gestern
Thorsten Thaler

Die Verhältnismäßigkeit der Anti-Corona-Maßnahmen wird „nirgendwo ‘ergebnisoffen‘ diskutiert“, beklagt Chefredakteur Andreas Lombard in der soeben erschienenen aktuellen Ausgabe des Magazins Cato (Dezember 2020/Januar 2021). In seinem Essay „Freiheit statt Sozialismus“ über die autoritäre Transformation Europas schreibt er zugespitzt, wenn der „härteste ökonomische Einbruch seit 1945, dessen Ende nicht abzusehen ist, ohne ein einziges Wort des Mitleids, des Trostes oder des Bedauerns exekutiert wird, ohne ein einziges ehrlich mitfühlendes Wort des Bundespräsidenten, der Bundeskanzlerin, des Bundeswirtschaftsministers oder sonst einer Persönlichkeit, dann dürfen sich dieselben Herrschaften über Argwohn und Mißtrauen nicht wundern“. Auch das Bürgertum, heißt es dazu in Lombards Editorial, begeistere sich „so sehr für den globalen Umbau, daß es einmal mehr das Abräumen von Grundrechten gutgläubig duldet oder ihm sogar applaudiert“.

Zur Frage der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen gegen das Coronavirus äußert sich in einem Cato-Interview auch der vor zwei Jahren entlassene Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen. Er sieht es als Versäumnis, daß nicht schon längst eine interdisziplinäre Kommission aus Wissenschaftlern, Ärzten, Volkswirtschaftlern, Finanzfachleuten und Unternehmern eingesetzt worden sei, um die Bundesregierung zu beraten. Wenn Politiker in Ministerpräsidentenkonferenzen über einen Lockdown entscheiden, fehle ihm hier die nötige Verhältnismäßigkeitsprüfung. „Deshalb handelt es sich nicht nur um eine gesundheitliche, sondern um eine politische Krise“, erklärt Maaßen.

Im Vorgriff auf das 150jährige Jubiläum der Reichsgründung, das den derzeitigen politischen und kulturellen Eliten im „besten Deutschland, das es je gab“, den Vorwand liefert, das Kaiserreich als „Wegbereiter“ des Dritten Reiches zu kanonisieren, rückt der Publizist Michael Klonovsky den ungerechtfertigten Schmähungen der wilhelminischen Epoche zu Leibe. In der argumentativen Auseinandersetzung mit einer dümmlich-geschichtsklitternden Rede des Bundespräsidenten und dem kürzlich erschienenen Buch „Schatten des Kaiserreichs“ des Historikers Eckart Conze stellt Klonosky klar: „Das Kaiserreich war nicht nur eine Epoche wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Prosperität, sondern auch eine des Friedens.“ Und in puncto Meinungs-, Publikations- und Kunstfreiheit herrschte tatächlich Meinungsfreiheit. 

Weitere Beiträge in dem lesenswerten und ansprechend illustrierten Heft befassen sich mit Chinas Griff nach der Weltmacht (Marco Gallina) und „Lenins Leichnam“ (Thomas Fasbender), außerdem widmen sich Autoren der Seeschlacht von Lepanto 1571 im Spiegel der Kunst, der eng mit der polnischen Geschichte verknüpften Krakauer Kunstsammlung Czartoryske, der Vita Karls V. sowie dem 25. Todestag Heiner Müllers.

Kontakt: Cato-Verlag, Fasanenstraße 4, 10623 Berlin. Das Einzelheft kostet 13,80 Euro, ein Jahresabo 72 Euro.

 www.cato-verlag.de