© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/20 / 11. Dezember 2020

Kabinenklatsch
Pathologischer Umgang
Ronald Berthold

Am Montag gewährte der Fußball-Bundestrainer uns die Ehre einer medialen Audienz. Drei Wochen nach dem Offenbarungseid des historischen 0:6 gegen Spanien zeigte er sich dem einfachen, verzweifelten und empörten Fußballvolk in einem Pressegespräch.

Bis dahin hatte der DFB es ihm erspart, sich kritischen Fragen zu stellen. Das könne man „dem Jogi“ nicht zumuten, schließlich knabbere er hart an der Niederlage, hieß es. Wie hart, das zeigte er dem DFB-Präsidenten Fritz Keller. Dreimal bat der Funktionär den Bundestrainer um dessen Rücktritt – zumindest nach der EM im kommenden Jahr. Dies lehnte Löw empört ab. Damit war gut.

Mit dem Austausch des Begriffes „Nationalmannschaft“ durch „Die Mannschaft“ ist auch der professionelle Sportsgeist beim DFB verschwunden. Es dürfte im Fußball einmalig sein, daß ein Trainer selbst entscheidet, wann er geht und der Chef nichts zu melden hat. Überall woanders wäre der Coach nach solch desolaten Leistungen gefeuert worden. Mit warmen Worten, aber auch mit der Zuversicht auf einen Neubeginn.

Majestätsbeleidigung steht in Monarchien bekanntlich unter Strafe.

Der Umgang mit Löw hat etwas Pathologisches. Daß Manager Oliver Bierhoff die Erklärungen zu dem Debakel per Powerpoint lieferte und man den Trainer schonte, der eine sensible Heulsuse zu sein scheint, ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Allerdings keines, auf das der DFB stolz sein kann. Wie oft ist vom „Männersport“ die Rede, wenn es mal ruppiger zur Sache geht. Aber der Bundestrainer mußte weder seinen Mann stehen, noch war er Manns genug, das zu tun. Dafür hat er Bierhoff, an dem die Kritik locker abperlen konnte, weil er das Team weder auf- noch eingestellt hat.

Daß sie Löw wie ein rohes Ei anfassen müssen, haben auch die Reporter verinnerlicht. Das einzige Interview nach dem Spanien-Spiel in der ARD und die anschließende Pressekonferenz glichen servilen Gesten von Untertanen. Kritik an dem sich wie ein König gebärdenden Mann, der uns auch die EM versauen wird, gilt als Majestätsbeleidigung. Und die steht in Monarchien bekanntlich unter Strafe.