© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/20 / 18. Dezember 2020

Die betreute Öffentlichkeit
Immer mehr Medien wollen regierungsfreundlich erziehen statt die Mächtigen zu kontrollieren
Paul Rosen

Journalismus – das war einmal die vierte Gewalt im Staat und in der Bonner Republik noch Realität. Die Kabinette zu Zeiten von Helmut Kohl und Gerhard Schröder hatten Respekt, manchmal sogar Angst vor Zeitungen und Zeitschriften. Im Bonner Pressekorps gab es zwei Lager. Das eine neigte der linken Seite des politischen Spektrums zu, das andere der rechten Seite.

Das alles ist Geschichte. In Berlin verstehen sich Medien anders: als Betreuer für die Menschen, die gesünder essen, klimabewußter leben, politisch korrekt reden und gegen Rechts kämpfen sollen. Tun sie das nicht, werden mediale Entrüstungsstürme entfacht, Abweichler an den Pranger gestellt.

Denn Medien wollen heute nicht mehr pluralistisch, sondern uniform sein und erwarten das auch von ihren Lesern. Alle sind gegen Trump, gegen Putin, gegen den Verbrennungsmotor, für den Euro und Europa, für die Energiewende, für die Agrarwende, für die Finanzwende und Wenden, die sie noch nicht mal kennen. Und natürlich sind sie gegen sogenannte Corona-Leugner. Kritische Nachfragen, ob der Niedergang der Industrie, ob die höchsten Strompreise und das Nachlassen der Wettbewerbsfähigkeit etwas mit einer von den Grünen bestimmten und von der Union unterstützten politischen Agenda zu tun haben, werden nicht mehr gestellt. Medienvertreter zählen sich selbst zur grünen Agenda, sehen ihren Platz eher auf dem Flüchtlingsschiff bei Kapitän Carola Rackete als bei der Recherche eines komplizierten Sachverhalts in Energie- oder Finanzfragen. In der Berliner Republik verbinden sich erste, zweite und vierte Gewalt und legen sich wie eine Bleiplatte über das von Vorschriften und Verboten bereits genug gelähmte Land. Einer der wenigen in der Politik, der noch Mut zur Wahrheit hat, ist Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP): Er spricht von „Erziehungsfernsehen. Wenn Sie das Morgenmagazin angucken, da wird Ihnen erklärt, was sie essen sollen, um gesund zu bleiben, und da wird Ihnen gesagt, wo Sie fair einkaufen können, um die Dritte Welt zu retten.“

Eine der jüngsten Debatten macht sehr deutlich, wie es um das System steht. In zahlreichen Kommentaren ist zu lesen, es gehe bei der Erhöhung des Rundfunkbeitrags nur um 86 Cent, eine kleine Summe, der man leicht zustimmen könne, um die Versorgung der Deutschen mit Informationen zu gewährleisten. Daß die Petitesse in Wirklichkeit über 400 Millionen Euro ausmacht und in ein System fließt, für das Sparen ein Fremdwort ist und dessen Sendungen eine Arroganz ausstrahlen, die der des „Schwarzen Kanals“ von Karl-Eduard von Schnitzler im DDR-Fernsehen gleichkommt, wird kaum thematisiert. Einer der traurigen Höhepunkte in der Debatte um den Rundfunkbeitrag war erreicht, als dem sachsen-anhaltischen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) allen Ernstes vorgeworfen wurde, seinen Landtag nicht im Griff zu haben. Dabei haben wir es in diesem Fall mit einer vorbildlichen parlamentarischen Haltung zu tun. Die Abgeordneten zeigen der Regierung, wo es langgeht. Oder um es volkstümlich zu sagen: In Sachsen-Anhalt hat nicht der Schwanz mit dem Dackel gewackelt, sondern umgekehrt. Andere Landtage und der Bundestag könnten sich ein Beispiel an der vorbildlichen Haltung des kleinen Parlaments nehmen.

Nicht nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk, auch private Medien haben erkannt, daß es einfacher sein kann, Geld vom Staat zu nehmen, als sein Brot im harten Wettbewerb zu verdienen. Allerdings sind Subventionen wie Rauschgift, das den Geist zerstört und die Kräfte raubt. Nirgendwo ist das besser zu sehen als bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die mit acht Milliarden Euro im Jahr von den Zwangsgebührenzahlern gemästet werden. Im Prinzip produzieren sie, wie der frühere RTL-Chef Helmut Thoma spottet, nur noch Altenheimfernsehen. Junge Konsumenten sind längst zu Netflix oder Amazon abgewandert.

Als einsamer Rufer in der Wüste war der Präsident der Zeitungsverleger, Springer-Chef Mathias Döpfner, im September zu vernehmen, der sich kritisch mit der Medienfinanzierung der Bundesregierung auseinandersetzte. 40 Millionen Euro jährlich sollen Zeitungsverlage zur Sicherung des Vertriebs und Förderung der digitalen Transformation erhalten. Es gehört wenig Phantasie zu der Annahme, daß dieselben Medien, deren mehrfach preisgekrönter Repräsentant der als Nachrichtenfälscher enttarnte Claas Relotius war, bald nach einer Erhöhung der Subvention rufen werden.

Förderung über Regierungsanzeigen im mehrstelligen Millionenbereich und eine indirekte Förderung über den „Kampf gegen Rechts“ mit einer Milliarde Euro machen immer mehr Medien zu handzahmen Publikationsorganen. Journalisten von heute arbeiten bestenfalls noch mit schlecht bezahlten Zeitverträgen und haben Nebenjobs bei Verbänden und Stiftungen, die überwiegend in Berlin residieren und sich im Staatsauftrag dem „Kampf gegen Rechts“ verschrieben haben. Zusammen mit Medien bilden diese Vereine und Organisationen einen mit viel Steuergeld gewässerten Sumpf vorwiegend in den Berliner Bezirken Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg, in dem kleine und größere Frösche ihr tägliches Konzert gegen menschlich verursachten Klimawandel, für die Aufnahme möglichst zahlreicher Ausländer, für die Energiewende und für Gendersternchen geben. Und vor allem die Regierung loben: „In der Pandemie wird Merkel tatsächlich zur Mutter der Nation“, hieß zum Beispiel eine Überschrift auf dem reichweitenstarken Portal t-online.

Döpfner hat erkannt, daß Unheil heraufzieht: „Medien müssen Chronisten sein, Zeitzeugen der Realität und nicht Missionare eines bestimmten Weltbildes, die von Aktivisten nicht mehr zu unterscheiden sind. Dann können wir einpacken.“ Genau das ist die Lage. Der deutsche Haltungsjournalismus kann einpacken. Daran werden auch Subventionen nichts mehr ändern.