© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/20 / 18. Dezember 2020

Corona-Lockdown
Bitterer Jahreswechsel
Dieter Stein

Nun ist er doch wieder da, der „harte Lockdown“, mit dem Bundes- und Landesregierungen die Infektionszahlen des Corona-Virus noch einmal drücken wollen. Obwohl Regierungsberater seit Jahresbeginn neue Erkenntnisse gewonnen haben sollten, fällt ihnen nichts anderes ein, als wieder alle Geschäfte, Schulen, Kindergärten, Restaurants zu schließen. Die Erfahrungen des Frühjahrs müssen doch eigentlich auch in eine Äußerung des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn eingeflossen sein, der noch am 1. September vollmundig verkündet hatte: „Man würde mit dem Wissen von heute, das kann ich Ihnen sagen, keine Friseure mehr schließen und keinen Einzelhandel mehr schließen. Das wird nicht nochmal passieren.“

Nun also doch. Erneut fährt das Land herunter, und das zu Weihnachten. Grundlos geschieht es nicht. Unsere Reporterin hat Pfleger in Berliner Krankenhäusern besucht, die auf dortigen Intensivstationen Covid-Patienten betreuen. Die Lage ist kritisch, und es werden zweifellos Belastungsgrenzen erreicht. Jedoch auch wegen einer Jahre zurückreichenden Fehlsteuerung in der Gesundheitspolitik und massiven Einsparungen im Krankenhausbereich, die sich jetzt rächen.

Dennoch bleibt die Frage, warum zum zweiten Mal, trotz monatelanger Vorbereitungszeit, nichts bleiben soll als ein phantasieloses, flächendeckendes Abwürgen des öffentlichen Lebens. Wieso schafft man es nicht, sich endlich auf die gefährdeten Gruppen zu konzentrieren? Die FAS zitiert einen Kritiker des Lockdown, den Virologen Jonas Schmidt-Chanasit: „Wir brauchen eine nachhaltige Strategie. Eine Abfolge von Lockdowns ist keine nachhaltige Strategie.“ Der Stadt Tübingen ist es indes unter Bürgermeister Boris Palmer mit intelligenten Maßnahmen gelungen, sich besonders um die gefährdeten älteren Bürger zu kümmern, vor allem in den Pflegeeinrichtungen, und dort Zahlen deutlich zu drücken. 

Daß das Masketragen in Räumen, wo sich viele Menschen begegnen, nicht wirkungslos ist, zeigen die stark gesunkenen Grippeinfektionen in dieser Saison. Mutmaßlich hat der gemäßigte Lockdown von November und die allgemeine Vorsicht der Bürger schon den maximalen Effekt erreicht.

Viele Gewerbetreibende und Selbständige, die sich von den Folgen des Frühjahrs mühsam erholt haben, gehen jetzt ihrem Ruin entgegen. Inhaber von Hotels, Restaurants und Geschäften haben in teure Hygienekonzepte investiert und stehen jetzt trotzdem vor dem Aus. Für sie wird es ein besonders bitterer Jahreswechsel. Die große Hoffnung ruht nun auf den Impfstoffen, die der Pandemie den Garaus machen sollen. Noch stützt sich die Regierung auf erstaunlich hohe Zustimmungswerte. Ob die Bilanz in neun Monaten bei der Bundestagswahl noch ähnlich ausfällt, wenn die Rechnung präsentiert wird, darf bezweifelt werden.