© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/20 / 18. Dezember 2020

Diskussion um EU-Rechtsstaatlichkeitsmechanismus
Nichts ist vorbei
Boris Kálnoky

Im Streit um einen neuen EU-Rechtsstaatlichkeitsmechanismus sehen sich Ungarn und Polen als Sieger. Zu Recht? Beim EU-Gipfel am 11. Dezember haben sie ihr Veto gegen den nächsten EU-Haushalt zurückgezogen. Dafür bekamen sie eine interpretierende „Erklärung“ der Regierungschefs zum Rechtsstaatlichkeitsmechanismus. Diese enthält eine inhaltliche Einengung: Es darf nur um die Finanzen gehen. 

Die EU-Kommission soll dazu Kriterien ausarbeiten. So lange greift der Mechanismus nicht. Für den Fall einer Nichtigkeitsklage vor dem EuGH werden diese Kriterien erst nach dem Urteil erarbeitet. Das würde bedeuten, der Mechanismus kann erst danach angewendet werden – wahrscheinlich nach den Wahlen in Ungarn 2022 und in Polen 2023. 

Aber der Text der eigentlichen Verordnung wurde auf dem EU-Gipfel unverändert angenommen. Ob und inwiefern die „Erklärung“ dazu rechtlich bindend ist, dürfte bald heftig debattiert werden. EU-Kommissarin Vera Jourová fordert bereits ein beschleunigtes Verfahren des EuGH, falls Budapest und Warschau gegen den Mechanismus klagen (und das werden sie). Es ist also nicht sicher, ob der erwirkte Aufschub wirklich ein Erfolg ist. Die Schlacht mag gewonnen sein, der Krieg noch nicht.






Boris Kálnoky leitet die Medienschule des Mathias Corvinus Collegium in Budapest und war lange als Ungarn-Korrespondent für internationale Medien tätig.