© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/20 / 18. Dezember 2020

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Wenn einer eine Reise tut
Christian Vollradt

Wie du mir, so ich dir“ ist auch im zwischenstaatlichen Umgang kein unüblicher Grundsatz. So verdankt sich die Tatsache, daß Rußlands Außenminister Sergej Lawrow vergangene Woche in Moskau eine Delegation der AfD-Bundestagsfraktion empfangen hat, unzweifelhaft einem Griff in den Besteckkasten für diplomatische Nadelstiche. 

Es ist kein Geheimnis, daß der Kreml tief verärgert über die Rolle Berlins im Fall des vergifteten russischen Oppositionspolitikers Alexei Nawalny ist, der zur Behandlung in die deutsche Hauptstadt ausgeflogen und später von Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht worden war. Also lud Lawrow seinerseits Vertreter der größten Oppositionspartei im Deutschen Bundestag ein. 

„Wir haben eine Tür zur Exekutive in Moskau geöffnet“, freute sich der außenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion. Armin-Paulus Hampel, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT über diesen „Riesenerfolg“ auf diplomatischem Parkett. Man wolle „konkrete Alternativen zur Merkel-Politik aufzeigen“, so Hampel, der gemeinsam mit dem Co-Vorsitzenden und stellvertretenden AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla an dem rund dreistündigen Gespräch mit Lawrow teilgenommen hatte. Beide Seiten hätten vereinbart, den Dialog fortzusetzen. Übereinstimmend plädiere man für ein Ende der Wirtschaftssaktionen und das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des jeweils anderen Landes. 

Und was ist mit dem Vorwurf, die AfD biedere sich dem Kreml an und stelle sich in den Dienst einer fremden Macht? „Wenn dem so wäre“, wischt Hampel den Einwand beiseite, „hätten führende deutsche Politiker wie Willy Brandt, Hans-Dietrich Genscher oder Helmut Kohl alle eine 5. Kolonne Moskaus sein müssen.“ Damals habe die Pflege guter Beziehungen ganz oben auf der Prioritätenliste gestanden. Und, so ergänzt er: „Nicht alles, was die Russen machen, finden wir toll.“

Daß die Bundesregierung die Reise alles andere als toll fand, bekam die AfD-Delegation im Vorfeld schon zu spüren. Weil ursprünglich Fraktionschef Alexander Gauland zu den nach Moskau geladenen Gästen gehörte, hätte der Reisegruppe eine Maschine der Luftwaffen-Flugbereitschaft zugestanden. Ein Business-Jet, Typ „Global 6000“, war schon reserviert, da zog das Verteidigungsministerium tags darauf die Zusage zurück: Wegen „der aktuellen globalen pandemischen Lage“ sei der Einsatz der Flugbereitschaft „auf zwingend notwendige Reisen“ beschränkt. 

Nach der – auf ärztliches Anraten – erfolgten Absage Gaulands war die Nutzung des Bundeswehrfliegers eh hinfällig. Denn dessen Nutzung steht nur den Fraktionsvorsitzenden, nicht aber ihren Stellvertretern zu. Für die AfD ist klar, daß Corona als Grund für das ministerielle „Njet“ nur vorgeschoben war. Denn zur selben Zeit schickte die Bundesregierung einen Airbus der Flugbereitschaft (für 143 Passagiere), um den Chef der syrischen Hilfsorganisation „Weißhelme“ mit Frau und Kindern aus Jordanien zu holen. Dort seien, Offiziellen zufolge, 25 Prozent der Bevölkerung mit dem Coronavirus infiziert.