© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/20 / 18. Dezember 2020

Unterwerft euch!
„Critical Race Theory“: Eine Ideologie bahnt sich ihren Weg, die für weiße Menschen keinen Ausweg kennt
Björn Harms

Seit einigen Jahren bereits hat es der sperrige Begriff „Critical Race Theory“ (CRT) geschafft, aus den US-Universitäten heraus in den politischen Mainstream zu gelangen – sowohl in den USA als auch in Europa. Spätestens seit den „Black Lives Matter“-Protesten und dem damit verbundenen Sturm auf die Denkmäler der westlichen Welt wird einem immer häufiger eingetrichtert: Wir leben in einer strukturell rassistischen Gesellschaft.

Vielen Konservativen ist noch nicht ganz klar, welche gravierenden Auswirkungen die Denkweise, die der „Kritischen Rassentheorie“ zugrunde liegt, in den kommenden Jahren für den politischen Diskurs haben wird. Straßenumbenennungen oder die Ächtung von bestimmten Begriffen dürften nur der Beginn einer größer angelegten kulturellen Revolution sein. 

Die Anhänger der CRT gewinnen mittlerweile auch in Deutschland massiv an Einfluß und besetzen nach und nach wichtige Institutionen (siehe Seite 6). Ein künftiges (Anti)-Rassismusministerium, über das derzeit diskutiert wird, könnte als Trojanisches Pferd für einen radikalen Einschnitt in die vermeintlich rassistische, weiße Mehrheitsgesellschaft sorgen. Was aber will die Ideologie konkret?

Das Einführungswerk „Critical Race Theory: An Introduction“, 2017 verfaßt von Richard Delgado, der an der University of Alabama School of Law einen Lehrstuhl für „Critical Race Theory“ innehat, liefert folgende Definition: Unter dem Begriff versammeln sich „Aktivisten und Wissenschaftler, die sich mit der Untersuchung und Veränderung der Beziehung zwischen Rasse, Rassismus und Macht beschäftigen“.

Die Bewegung betrachte zwar „ähnliche Themen, die auch konventionelle Bürgerrechtsdiskurse aufgreifen“, stelle sie aber in eine „breitere Perspektive, die Ökonomie, Geschichte, Milieus, Gruppen- und Eigeninteresse sowie Emotionen und das Unbewußte einschließt“. Im Gegensatz zum traditionellen Bürgerrechtsdiskurs, der schrittweisen Fortschritt betone, stelle die kritische Rassentheorie „die Grundlagen der liberalen Ordnung in Frage, einschließlich der Gleichheitstheorie, der juristischen Argumentation, des Rationalismus der Aufklärung und der neutralen Prinzipien des Verfassungsrechts“.

Theorie stammt aus Jura-Fakultät in Harvard

Bereits hier werden die wichtigsten Punkte umrissen: Der CRT geht es zentral um Macht, die sie höher wertschätzt als die Wahrheit. Sie ist ein Kind der Postmoderne und steht dementsprechend in der Tradition der französischen Schule um Michel Foucault oder Jacques Derrida. Dazu grenzt sie sich von der „traditionellen“ Bürgerrechtsbewegung ab, etwa von Personen wie Martin Luther King. Sie verneint den Universalismus und favorisiert stattdessen Identitätspolitik – im radikalen Sinne. Es geht ihr nicht um Fortschritt, sondern um Revolution. Schlußendlich positioniert sich die Denkweise explizit „antiwestlich“, indem sie „die liberale Ordnung“ in Frage stellt. 

Die „Kritische Rassentheorie“ bevorzugt „Gerechtigkeit“ gegenüber Gleichheit, wobei sich jene Gerechtigkeit natürlich aus der Theorie selbst herleitet. Tatsächlich charakterisiert sie die Idee der (Rassen)-Gleichheit explizit als eine Art Verschwörungstheorie, die Menschen, insbesondere „People of Color“, dazu bringt, den Status quo und damit ihren systemisch unterdrückten Zustand zu akzeptieren. In der CRT spricht man von „verinnerlichtem Rassismus“. 

Die meisten Leute würden den Ursprung einer derartigen Theorie wohl in den Sozialwissenschaften verorten. Tatsächlich aber entwickelte sich die CRT Mitte der 1970er Jahren durch eine Gruppe von Juristen. Der Bürgerrechtsanwalt Derrick Bell, erster schwarzer Professor an der Harvard Law School, wird oft als „Vater der kritischen Rassentheorie“ bezeichnet. Sein Artikel „Brown v. Board of Education and the Interest-Convergence Dilemma (Brown gegen die Schulbehörde und das Interessen-Konvergenz-Dilemma)“ aus dem Jahr 1980 in der Harvard Law Review gilt als Geburtsstunde der Bewegung. Hier präsentierte er auch zum ersten Mal seine Grundprämisse, nämlich die Vorstellung, daß weiße Personen Bemühungen zur Verbesserung der Lage der Schwarzen nur dann unterstützen, wenn es in ihrem eigenen (z.B. wirtschaftlichen) Interesse läge.

Bell wiederum hatte mit Kimberlé Crenshaw eine Studentin, die heute wohl das bekannteste Gesicht der Bewegung ist. Sie lehrt an der University of California und fungiert beispielsweise auch in Berlin als Präsidentin der NGO „Center for Intersectional Justice“. Sie führte unter anderem den „Intersektionalismus“ in den Diskurs ein, der eine Gleichzeitigkeit von verschiedenen Diskriminierungen gegenüber einer Person erkennt. Gemeint sind also Kategorien wie schwarz, schwul, arm etc. – immer abweichend gesehen von der Norm der weißen Durchschnittsbevölkerung.

Nun stellt sich jedoch die Frage: Kann diese Gesellschaft eigentlich ihren Rassismus überwinden? Die Antwort der CRT lautet Nein, denn er ist allgegenwärtig. Natürlich kann ein struktureller Rassismus im Gegensatz zum individuellen Rassismus niemals empirisch nachgewiesen werden. Dafür nutzt die CRT einen Trick: Jeder statistische Unterschied zwischen Weißen und Schwarzen auf dem Arbeitsmarkt, in Bildungseinrichtungen oder bei der Zusammensetzung von Parlamenten, der proportional zugunsten von Weißen ausfällt, wird ganz einfach als Beleg für strukturellen Rassismus gewertet. Nur eine Quote kann somit Abhilfe schaffen.

„Antirassismus“ gewinnt sektenhafte Züge

Rasse ist dabei nicht als biologisch-genetische Angelegenheit zu verstehen, sondern wird als sozial konstruiert beschrieben. In dieser rassistischen Umgebung werden Personen durch Zuschreibungen und körperliche Merkmale „rassifiziert“ (racialization) und ausgegrenzt. Dieser Prozeß geht mit der Unsichtbarmachung des „Weißseins“ als einer neutralen und damit normierenden Position einher, die mit strukturellen Vorteilen und Privilegien verbunden ist („white privilege“). Und so wird deutlich: Für weiße Personen gibt es keinen Ausweg aus dieser Ideologie.

Im Juni 2018 veröffentlichte die antirassistische Aktivistin und Soziologin Robin J. DiAngelo das Buch „Weiße Zerbrechlichkeit – warum es so schwer für weiße Menschen ist, über Rassismus zu sprechen“, das in den US-Bestsellerlisten sofort durch die Decke ging. Ihr entwickeltes Konzept der „white fragility“ stammt bereits aus dem Jahr 2011. DiAngelo versucht damit zu erklären, weshalb weiße Menschen so unfähig sind, sich ihres eigenen Rassismus bewußt zu werden. Auch hier geht es beim Thema Rassismus weniger um die Beziehung von Mensch zu Mensch, also einer individuellen Herabsetzung aufgrund der Hautfarbe, sondern um ein System „weißer Vorherrschaft“, die durch die dominante Gruppe der Gesellschaft ausgeübt wird.

Für DiAngelo gibt es nun zwei Möglichkeiten: Entweder weiße Menschen erkennen sowohl das rassistische System als auch damit verbunden ihren eigenen Rassismus an und beginnen einen langen Prozeß der antirassistischen Läuterung – was zunächst wohl die wenigsten machen würden. Oder aber sie wollen es nicht zugeben, daß ein solches System existiert. Sie leiden also an „weißer Zerbrechlichkeit“. Sie drücken sich, wenn sie damit konfrontiert werden. Sie werden wütend und aufbrausend, wenn man sie als Rassisten bezeichnet. Sie leisten Widerstand. Merken Sie die Religiosität dieser Ideologie? „Antirassismus“ gewinnt in diesem Zusammenhang tatsächlich sektenhafte Züge, wenn die Autorin davon spricht, daß „aktiver Antirassismus“ eine „lebenslange Verpflichtung“ und ein „fortlaufender Prozeß“ sei. Am besten Sie schließen also gleich ein Antirassismus-Seminar bei DiAngelo ab, wenngleich diese nicht gerade konstengünstig sind. Ein halbtägiger Workshop bei ihr kostet rund 130 Dollar.

Mitunter wirkt die Ideologie sogar sadistisch. Gerade weiße Frauen brächen bei direkter Konfrontation mit ihrem eigenen Rassismus häufig in Tränen aus, berichtet DiAngelo. Ein Erbarmen bräuchten sie nicht zu erwarten. Diese „white tears“ seien als politischer Akt zu verstehen. Jene Frauen wollen die Aufmerksamkeit auf sich lenken, zeigen sich verletzt, was wiederum als positiver Beweis für ihre „weiße Zerbrechlichkeit“ zu werten ist. Innerlich wüßten diese Personen ganz genau um ihren Rassismus.

Hier zeigt sich also wie brandgefährlich die Denkweise für eine offene Gesellschaft ist: „White fragility“ macht es von vornherein unmöglich, Vorwürfe des Rassismus zu widerlegen. Wenn man auch nur ein winziges Stück Entgegenkommen zeigt oder sich verteidigen will, ist man sofort in einem Argumentationsmuster gefangen, aus dem es keinen Ausweg gibt. Unterwirft sich hingegen jemand der moralischen Erpressung, ist er lebenslang ein aktivistischer Teil des Ganzen – ein im Grunde simpler wie genialer Schachzug der „Antirassisten“.

Und tatsächlich dürften ahnungslose Politiker die Vertreter der CRT weiterhin für „antirassistisch“ halten. Der durchschnittliche CDU-Mann ist schon durch die einfache Frage „Bist du etwa rassistisch?“ gefügig gemacht und damit ruhiggestellt. Die antiweiße Blickrichtung der Ideologie aber wird häufig außen vor gelassen. Ein perfektes Beispiel hierfür lieferte der 27jährige Journalist und „Antirassismus“-Kämpfer Malcolm Ohanwe, unter anderem für den Bayerischen Rundfunk tätig, in der vergangenen Woche auf Twitter. Er postete völlig ungeniert mehrere Bilder des früheren ugandischen Diktators und Massenmörders Idi Amin, auf denen dieser weiße Menschen vor sich knien ließ. Ohanwe schrieb dazu: „Mein feuchter Traum.“