© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/20 / 18. Dezember 2020

Zeitschriftenkritik: Faktum
Fachkundiges zur Bundeswehr
Peter Möller

Die Bundeswehr ist nicht erst seit den zahlreichen einschneidenden Reformen nach dem Ende des Kalten Krieges ein Sorgenkind der deutschen Politik. Auch zuvor wurde die Armee von der Politik zumeist nur recht stiefmütterlich behandelt: Angesichts der Blockkonfrontation wurde sie zwar als notwendig erachtet, aber von den Politikern der alten Bundesrepublik in den wenigsten Fällen wirklich geliebt.

Dennoch wird der Bundeswehr vor allem von konservativen Kreisen nach wie vor eine entscheidende Rolle als Garant der nationalen Souveränität zugeschrieben. Und so überrascht es nicht, daß die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung der bundesdeutschen Armee die zweite Ausgabe ihres Magazins Faktum widmet. Der Titel „Die Bundeswehr zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ verrät schon die Stoßrichtung der insgesamt sechs Aufsätze, die von fachkundigen Autoren stammen, die allesamt Offiziere beziehungsweise in der Wehrindustrie tätig waren.

Der ehemalige Luftwaffengeneral Joachim Wundrak, der am vorvergangenen Wochenende zum Spitzenkandidaten der AfD in Niedersachsen für die Bundestagswahl im kommenden Jahr gewählt wurde, widmet sich in seinem Beitrag dem Thema Souveränität, die er als Freiheit definiert, „auf der Grundlage von Vernunft, Recht und Gesetz frei von Fremdherrschaft entscheiden zu können“. Wundrak wendet sich strikt gegen die seiner Ansicht nach von den etablierten Parteien vor allem auf europäischer Ebene betriebene Souveränitätsaufgabe Deutschlands und lehnt dementsprechend auch die Bildung einer EU-Armee ab. Den derzeitigen Zustand der Bundeswehr bezeichnet der General als besorgniserregend und beklagt insbesondere, daß sich die Bundeswehr den „vielfältigen Eitelkeiten der politischen Klasse“ unterwerfen müsse und damit zum Thema für jede Satiresendung werde.

Besonders kritisch bewertet er zudem den Ausverkauf der nationalen Rüstungsindustrie, die sich angesichts der verschärfenden außenpolitischen Gegebenheiten, wie etwa dem Aufstieg Chinas, rächen könnte. Dabei redet Wundrak nicht einem weltweiten Einsatz der Bundeswehr das Wort: „Das Geltungsbedürfnis von Politikern oder humanitäre Gefühlsduselei darf nicht Maßstab für den Einsatz von Militär sein“, lautet das Credo des erfahrenen Militärs.

Ähnlich anregend wie der Artikel von Wundrak sind auch die anderen Beiträge wie etwa das Plädoyer des Fraktionschefs der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus und Oberst im Generalstab Georg Pazderski für einen Kurswechsel in der Sicherheitspolitik, in dem er für eine umfassende Neuausrichtung nicht nur der Bundeswehr, sondern auch der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eintritt.

Das Themenheft der Erasmus-Stiftung zur Bundeswehr zeigt anschaulich, wie wichtig politische Stiftungen sind, um im vorpolitischen Raum ohne die im politischen Tagesgeschäft üblichen Gemeinplätze sachpolitische Diskussionen anzustoßen, die im Idealfall irgendwann in praktische Politik umgesetzt werden.


Kontakt: Desiderius-Erasmus-Stiftung e.V., Unter den Linden 21, 10117 Berlin. 

 www.erasmus-stiftung.de