© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/20 / 18. Dezember 2020

Die archaische Gabenpolitik des Hauses Krupp
Dicke Berta im Kleinformat
(ob)

Vor dem Ersten Weltkrieg verschenkte Friedrich Alfred Krupp gern verkleinerte Geschütze, Kanonenrohre und Granaten an Freunde seiner 1811 in Essen gegründeten, nach 1871 zur Rüstungsschmiede des Deutschen Reiches ausgebauten Gußstahlfabrik. Mit seinem Essay über „Die kleinen Schwestern der Dicken Berta“ gibt der im Historischen Archiv Krupp in Essen tätige Kunsthistoriker Sebastian Bank schon einmal den Vorgeschmack auf eine größere Studie über die „Gabenpolitik“ des Konzerns (Zeitschrift für Ideengeschichte, 4/2020). Die Miniaturen repräsentieren eine Epoche, in der „Bellizismus und Rüstungsproduktion“ nichts Ungewöhnliches waren – „nicht nur im Deutschen Kaiserreich, sondern in der Mehrzahl westlich geprägter Länder“. Daher hätten die luxuriösen Kleinodien ebenso werbende „Wirkkraft“ entfaltet wie andere Essener Massenware: Anstecknadeln, andere Schmuckstücke mit Kanonenmotiv sowie „Jubilarnadeln“, verliehen nach 25jähriger Betriebszugehörigkeit. Marcel Mauss’ Analysen über die Funktion des Austausches in archaischen Gesellschaften folgend, meint Bank, Krupp ließ solche Gaben Wilhelm II. ebenso wie jedem Arbeiter zukommen, um die Beschenkten zur Bringschuld zu verpflichten, die der Kaiser mit Aufträgen und Titelverleihungen, der Proletarier mit Treue gegenüber dem Dienstherrn erfüllt habe. 


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