© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/20 / 18. Dezember 2020

Kabinenklatsch
Gelebte Solidarität mit den Klubs
Ronald Berthold

Wenn der Staat die Einnahmen klaut, herrscht Not. Und Not macht erfinderisch. Unter den Sportklubs sind einige Daniel Düsentriebs. Der Lockdown gilt schon lange auf den Amateurplätzen dieses Landes. Als noch gespielt werden durfte, haben Traditionsvereine wie die Viertligisten Lok Leipzig und Kickers Offenbach es vorgemacht. Sie verkauften Karten für Geisterspiele. Die Fans wußten zwar, daß sie damit nicht ins Stadion dürfen, aber sie zahlten zu Tausenden trotzdem.

In den noch tieferliegenden Klassen, deren Spielbetrieb seit November verboten ist, haben die Vereine schon 20.384 Eintrittskarten, 14.590 Würstchen, 19.751 Bierchen und 4.631 Bierkisten verkauft, berichtet die Webseite www.geisterspieltickets.de. Diese Plattform können die Klubs aller Sportarten im Amateurbereich nutzen, um mindestens ein bißchen Umsatz zu generieren. Nicht wenige von ihnen stehen vor der Insolvenz. 80 Prozent des Kartenpreises gehen an die Klubs, 20 Prozent behalten die Seitenbetreiber.

Viele Fans sind bereit, für eine Stadionwurst zu zahlen, die sie nie essen werden.

Dynamo Dresden teilt mit Daniel Düsentrieb die Initialen. Auf eine fremde Internetpräsenz sind die erfinderischen Sachsen nicht angewiesen. Die Profis machen das selbst. Der Klub konnte einen rekordverdächtigen Vorverkauf für ein Spiel ohne Zuschauer vermelden. In nicht einmal zwei Stunden hatte der Drittligist 10.000 Tickets für das DFB-Pokalspiel am nächsten Dienstag gegen Darmstadt 98 unter die treuen Anhänger gebracht. 

Solch einen hastigen Run erleben viele Vereine sonst nur, wenn die Bayern vorbeischauen und alle dabei sein wollen. Jetzt aber fürchten viele Anhänger um die Zukunft ihrer Klubs und sind bereit, sich Plätze zu sichern, die sie niemals einnehmen werden. Manche gönnen sich sogar eine Stadionwurst, die sie nie essen werden. Gelebte Solidarität in Zeiten der Isolation, von denen man nicht weiß, wann sie vorbei sind. Zwei Tage vor Heiligabend treten die Sachsen zwar vor leeren Rängen, wohl aber vor einem virtuell vollen Haus an, um ins Achtelfinale einzuziehen. Motto: „30.000 Geister für Dynamo!“