© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 53/20 / 01/21 25. Dezember 2020

Neue Konkurrenz an der Futterkrippe
Parteinahe Stiftungen: Müssen die Fördermittel bald neu verteilt werden? / Gesetzliche Regelung gefordert
Jörg Kürschner

Als der Bundestag jüngst den Haushalt 2021 verabschiedet hatte, war die Sache perfekt: Für ein weiteres Jahr haben die Abgeordneten rund 600 Millionen Euro für die parteinahen Stiftungen lockergemacht. CDU, CSU, SPD, FDP, Linke und Grüne freuten sich über den Geldsegen, die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) ging leer aus. Doch rechnet die DES-Vorsitzende Erika Steinbach mit Bundesmitteln ab 2022 – nach einem erneuten Einzug der AfD in den Bundestag.

Kritik an spendablen „Kungelrunden“

Rückblick: Im vergangenen August war die AfD vor dem Bundesverfassungsgericht mit ihrem Antrag auf staatliche Zuschüsse für die Stiftung gescheitert. Das höchste deutsche Gericht verwarf eine einstweilige Anordnung, mit der die AfD das Bundesinnenministerium zu Zahlungen von 480.000 Euro für 2018 und 900.000 Euro für 2019 verpflichten wollte. Die Partei sah ihren Anspruch auf Chancengleichheit verletzt. Dies wäre nur der Fall, wenn die Stiftung bei einem Unterbleiben der Zahlungen ihre Tätigkeit beenden müßte und der AfD keine sonstige Möglichkeit der Zusammenarbeit offenstünde, befanden die Richter. 

Gescheitert ist der Eilantrag, das Verfahren in der Hauptsache bleibt aber anhängig. Bereits 2019 hatte die Stiftung selbst auf Bundesmittel geklagt, das Verfassungsgericht die Beschwerde jedoch aus „prozessualen Gründen“ nicht angenommen. Der Rechtsweg sei nicht erschöpft, die DES hätte erst den Verwaltungsrechtsweg beschreiten müssen, so die Begründung.

Die Finanzierung der parteinahen Stiftungen hat eine lange Vorgeschichte. Nach Gründung der Bundesrepublik 1949 waren sich die seinerzeit tonangebenden Parteien bald einig. CDU, CSU, SPD und FDP etablierten ihnen inhaltlich nahestehende Stiftungen, die im In- und Ausland politische Bildungsarbeit in ihrem Sinne leisten sollten. Begabtenförderung, Promotionsstipendien, Seminare sind bis heute die Stichworte. Diese Aufgaben liegen nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im öffentlichen Interesse. Zusätzlich unterhalten die Parteien Stiftungen in den Bundesländern. 

Das harmonische Miteinander von Konrad-Adenauer-, Hanns-Seidel-, Friedrich-Ebert- und Friedrich-Naumann-Stiftung wurde erst gestört, als Grüne und Linkspartei in den Bundestag einzogen. Seit den neunziger Jahren sitzen auch die Heinrich-Böll- sowie die Rosa-Luxemburg- Stiftung mit am Tisch, wenn alljährlich die üppigen Finanzmittel verteilt werden. Über deren Verteilung und die berücksichtigten Stiftungen entscheidet der Haushaltsausschuß des Bundestags. Dabei orientiert er sich an den Leitlinien einer sogenannten gemeinsamen Erklärung der etablierten politischen Stiftungen von 1998. Demnach gilt als Mindestvoraussetzung für eine Zuwendung, daß die korrespondierende Partei „wiederholt“ im Bundestag vertreten ist. Der AfD ist 2017 der Einzug ins Parlament gelungen, 2013 scheiterte sie knapp mit 4,7 Prozent. 

Wenn die AfD am 26. September 2021 erneut den Sprung in das höchste deutsche Parlament schafft, wären demnach der DES finanzielle Mittel gemäß ihrer Stimmanteile bei den letzten Bundestagswahlen sicher. Die Vorsitzende Steinbach gibt sich optimistisch, rechnet mit circa sechs Millionen Euro. „Die Grundvoraussetzung für den weiteren Stiftungsaufwuchs ist die gleichberechtigte Teilhabe an der staatlichen Finanzierung“, betont sie im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Wert legt sie auf die Feststellung, daß die DES anders als die anderen politischen Stiftungen nicht im Ausland mit eigenen Vertretungen tätig werden will. Doch war Steinbach zu lange im politischen Geschäft, um blauäugig auf eingeübte Verfahren oder gar mündliche Zusagen des politischen Gegners zu vertrauen. 27 Jahre gehörte sie dem Bundestag an, 16 Jahre war sie Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV). Wegen Merkels Politik hatte sie die CDU nach 43 Jahren Anfang 2017 verlassen

Bis zur Bundestagswahl will Steinbach die DES organisatorisch und personell für den Tag X aufstellen, an dem die staatlichen Gelder nach den derzeitigen Regularien fließen müßten. Doch könnte dieser Tag noch in weiter Ferne liegen. Die Abgabenordnung knüpft Steuervergünstigungen für Körperschaften seit 2009 an Bedingungen. Diese dürfen nicht dem Gedanken der Völkerverständigung zuwiderhandeln und nicht in den Verfassungsschutzberichten des Bundes oder der Länder als „extremistische Organisation“ aufgeführt werden. Kürzlich war berichtet worden, das Bundesamt für Verfassungsschutz entscheide Anfang kommenden Jahres, ob es die AfD als Gesamtpartei beobachten werde. 

Im Mai hatte der DES-Vorstand ein Mitglied abgewählt, da es dem Institut für Staatspolitik (IfS) vorsteht, das vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft wird. Diese Funktion vertrage sich nicht mit der DES-Satzung, hatte Steinbach argumentiert und bekräftigt: „Die Stiftung wird sich mit allen rechtlichen Mitteln wehren, sollte der Bund die Zahlungen verweigern.“

Peter Boehringer, Vorsitzender des Haushaltsausschusses, sieht bei einem Ausschluß von der Finanzierung den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt. Der AfD-Politiker verweist darauf, daß die Große Koalition die Extremismusklausel 2014 abgeschafft hatte. Diese verlangte von staatlich geförderten „Initiativen gegen Rechts“ ein schriftliches Bekenntnis zum Grundgesetz. Dennoch beurteilt er die Chancen einer künftigen DES-Förderung eher zurückhaltend, wohl auch aufgrund seiner Erfahrungen als Ausschußchef. Er beklagt im JF-Gespräch die fehlende Transparenz bei der Höhe der Bundeszuschüsse. Die Haushaltspositionen würden in „Kungelrunden“ zwischen den Fraktions-Berichterstattern und Stiftungsvertretern ausgehandelt; ohne die AfD. Auch das Verlangen der DES, künftig an diesen sogenannten „Stiftungsgesprächen“ beteiligt zu werden, war in Karlsruhe abschlägig beschieden worden. Die Richter sahen darin keinen „Akt der öffentlichen Gewalt“.

Boehringer hält ein Stiftungsgesetz für nötig, das das Initiativrecht des Bundestages wiederherstellt. Er sieht sich unterstützt durch Wissenschaftler, etwa den Parteienrechtler Martin Morlok. Die AfD hatte im Sommer 2018 einen entsprechenden Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht, der aber von der Mehrheit abgelehnt worden war. Dabei war der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags bereits 2006 zu einem eindeutigen Urteil gekommen. „In der Bundesrepublik gibt es derzeit keine explizite gesetzliche Grundlage für die Tätigkeit und Finanzierung der politischen Stiftungen. Das betrifft insbesondere die Höhe und Aufteilung der öffentlichen Zuwendungen, die fast ausschließlich aus dem Bundeshaushalt stammen und den größten Teil der Einnahmen ausmachen“. Seit Jahren kritisiert auch der Bund der Steuerzahler die Höhe der staatlichen Gelder an die parteinahen Stiftungen. 

Die politischen Stiftungen werden im kommenden Jahr im Fokus der Öffentlichkeit stehen, nicht zuletzt aufgrund der Förderungsanträge der AfD. Was Steinbachs Ex-„Parteifreund“ Norbert Lammert vorauszuahnen scheint. Er wechselte 2017 nahtlos vom Präsidentenstuhl im Bundestag auf den Chefsessel der Adenauer-Stiftung, wie vor wenigen Tagen Martin Schulz, gescheiterter SPD-Kanzlerkandidat von 2017, die Vorstandsetage der Ebert-Stiftung bezogen hat. Ex-FDP-Chef Wolfgang Gerhardt war zwölf Jahre als Vorsitzender der Naumann-Stiftung im Abklingbecken der politischen Stiftungen. Lammert will noch abwarten, ob die DES wirklich gefördert wird. „Eine Perspektive der Zusammenarbeit“ werde sich jedenfalls nicht ergeben.