© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 53/20 / 01/21 25. Dezember 2020

Gespannte Blicke auf den Pfirsich-Staat
Senats-Nachwahlen in Georgia: Enges Rennen zwischen Republikanern und Demokraten / Die Zukunft der USA steht auf dem Spiel
Liz Roth

Mit Inbrunst forderte Präsident Donald Trump seine Unterstützer bei einer Wahlveranstaltung Anfang Dezember in Georgia auf: „Wählt in Rekordzahlen. Diese Wahl entscheidet über die Zukunft Amerikas.“ Denn das Ergebnis der Stichwahl am 5. Januar für den Senat im Peach State (Pfirsich-Staat) wird zum Leitbild für die zukünftige politische Richtung der USA.

Es steht die Kontrolle des Senats, des Oberhauses der Vereinigten Staaten, auf dem Spiel. Bei der Wahl im November hatte keiner der Kandidaten eine Mehrheit erzielen können. Nun treten die republikanischen Senatoren David Perdue und Kelly Loeffler gegen ihre demokratischen Herausforderer Jon Ossoff und Raphael Warnock erneut an. 

Die Republikaner haben derzeit 50 der 100 Sitze im Senat, mit ausschlaggebener Mehrheit durch Vizepräsident Mike Pence als „Tie-Breaker“. Wenn die Demokraten aber beide Stichwahlen gewinnen und sich auch bei der umstrittenen Präsidentschaftswahl durchsetzen, haben sie die Kontrolle über das Weiße Haus und beide Kammern des Kongresses. In einer Patt-Situation wäre dann Kamala Harris die entscheidende Stimme im Senat. 

Laut den letzten Umfragen der Meinungsforscher von FiveThirtyEight ist es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Amtsinhaber Senator David Perdue liegt bei 48,6 Prozent der Stimmen und hat somit einen minimalen Vorsprung von 0,2 Prozent auf Jon Ossoff, der auf 48,4 Prozent kommt. Kelly Loeffler liegt mit 48,1 Prozent der Stimmen 0,4 Prozent hinter Warnock.

Die Republikaner sind besorgt, daß es erneut zu Unregelmäßigkeiten kommen wird. Das Republikanische National Committee (RNC) und die Georgia Republican Party reichten Klage ein und forderten, daß republikanische Wahlbeobachter diesmal rechtmäßigen Zugang  am Wahltag bekommen. „Die Gesetze müssen befolgt werden, damit die Wähler Vertrauen in die Ergebnisse haben können“, sagte die RNC-Vorsitzende Ronna McDaniel in einer Erklärung. „Ich hoffe, daß die Wahlbeamten die Gesetze befolgen werden und die Wahl öffentlich abläuft.“ In der Klage fordern die Republikaner von den Wahlbehörden, „rechtswidrige Praktiken“ zu unterbinden und den Wahlbeobachtern freie Bewegung zwischen den Beobachtungsstationen zu garantieren.

„Wenn Sie ein Konservativer sind, müßen Sie wählen“, sagte der ehemalige Sprecher des Repräsentantenhauses und Urgestein der Republikaner Newt Gingrich in einem Interview mit Fox News. 

„Wir müssen mit einem größeren Vorsprung gewinnen, als die Linke ihn stehlen kann. Diese beiden Stichwahlen sind wahrscheinlich die wichtigsten in der amerikanischen Geschichte“, betonte der 77jährige. „Sie haben das Potential, die gesamte Richtung des Landes zu verändern.“ 

„Die wichtigsten Wahlen in der US-Geschichte“ 

Gingrich weiter: „Wenn Sie kein radikal linkes Amerika wollen, das von linken Richtern dominiert wird, einhergehend mit massiven Steuererhöhungen, mit einer Politik, die China beschwichtigt, dann müssen Sie rausgehen und wählen. Ein Sieg bietet ein Einfallstor für die Demokraten zur Schaffung eines sozialistischen Amerika.“ 

Gingrichs Bemerkungen wurden sowohl von Perdue als auch von Loeffler in Interviews positiv aufgenommen. Für Perdue ist eine republikanische Mehrheit in der oberen Kammer die „Verteidigungslinie“ gegen eine radikale linke Agenda. Loeffler sieht in ihrem Herausforder, Pastor Raphael Warnock, „einen gefährlichen Linken“, der den „amerikanischen Traum“ zerstören will. Für Ossoff und Warnock sind die beiden Republikaner „Gauner“, die sich auf Kosten des amerikanischen Volkes bereichert haben. Warnock kritisiert immer wieder Loefflers Reichtum und ihre Verbindungen zur Wall Street. Die Unternehmerin ist mit einem geschätzten Vermögen von über 500 Millionen Dollar die reichste Frau in der US-Politik.

„Wenn wir Georgia gewinnen, dann verändern wir die Welt“, hatte der Senator und Minderheitenführer der Demokraten Chuck Schumer kürzlich ausgerufen. Die Demokraten kündigten an, das sogenannte Filibuster (Zweidrittelmehrheits-Entscheidungen) abzuschaffen, wenn sie die beiden Sitze im Senat gewinnen. Des weiteren planen sie, die Anzahl der Richter am Obersten Gerichtshof zu erhöhen und diese neuen Posten mit Richtern zu besetzen, die einer linken Rechtsphilosophie folgen. Joe Biden, der seine zukünftige Regierung als „die progressivste in der Geschichte Amerikas“ bezeichnete, ist für seine Pläne, Amerika „neu zu erschaffen“, auf den Gewinn beider Sitze zwingend angewiesen.