© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/21 / 08. Januar 2021

Unwillkommen zu Hause
Terrorismus: Vor Weihnachten hat Deutschland gefangene „IS-Bräute“ heimgeholt
Peter Möller

Wenn Staaten ihre Bürger aus Krisenregionen zurück in die Heimat holen, ist ihnen der Applaus der Öffentlichkeit meist sicher. Anders verhält es sich bei der monatelang geplanten Geheimoperation, mit der die Bundesregierung kurz vor Weihnachten drei deutsche Anhängerinnen des terroristischen „Islamischen Staates“ (IS) sowie zwölf Kinder, darunter sieben Waisen getöteter IS-Kämpfer, aus Gefangenenlagern in Nordsyrien nach Deutschland geholt hat. Die Frauen waren nach der Niederlage des IS von Einheiten der oppositionellen Allianz SDF in Ostsyrien gefangengenommen worden. 

Da die Frauen sich der Terrororganisation freiwillig angeschlossen hatten, befürchten Sicherheitsexperten, daß die Frauen nach ihrer Rückkehr möglicherweise Terroranschläge in Deutschland planen könnten. Eine der Rückkehrerinnen wurde unmittelbar nach der Landung in Frankfurt am Main in Untersuchungshaft genommen. Doch auch wenn sich die Frauen in Syrien möglicherweise strafbar gemacht haben und von ihnen potentiell eine Gefahr ausgeht, ist Deutschland dennoch rechtlich verpflichtet, sich um seine Staatsangehörigen zu kümmern.

Außenminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich denn auch „sehr erleichtert“ über die Rückholaktion. „Es handelt sich dabei um humanitäre Fälle, vor allem um Waisen und Kinder mit Erkrankungen – Fälle, in denen die Ausreise besonders dringend erforderlich war“, sagte Maas. Die weihnachtliche Rückholaktion sei ein Kraftakt gewesen, dem Monate intensiver Vorbereitungen und Abstimmungen vorausgegangen seien. „Die ohnehin schwierige Lage in Nordostsyrien ist durch die Kampfhandlungen des vergangenen Winters und die Corona-Pandemie in diesem Jahr noch prekärer geworden, viele der Ansprechpartner vor Ort haben derzeit auch sonst genug Probleme“, verdeutlichte Maas. Er sei zuversichtlich, daß in den kommenden Wochen und Monaten auch in weiteren Fällen eine Rückkehr ermöglicht werden könne.

Es war zudem nicht die erste Aktion dieser Art: In den vergangenen anderthalb Jahren waren bereits in zwei Fällen sieben Kinder und eine Frau aus den Lagern in Nordsyrien nach Deutschland gebracht worden. Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, daß noch mehr als hundert Anhänger des IS aus Deutschland dort leben, außerdem zahlreiche Kinder, deren Eltern einen deutschen Paß haben oder hatten. Dennoch sind derartige Rückholaktionen keine Selbstverständlichkeit. 

Frauen und Kinder als Sklaven verkauft  

Noch im Januar 2020 hatte das Auswärtige Amt den Kurden eine Liste mit den Namen von insgesamt 25 deutschen Frauen und Kindern übergeben und vergeblich darum gebeten, diese Personen den deutschen Behörden zu überstellen. Die kurdische Seite habe damals eindringlich erläutert, „daß erwachsene Frauen nicht zurückgeholt werden könnten, da diese der lokalen Strafverfolgung zugeführt werden sollen“, berichtete der NDR unter Berufung auf interne Dokumente des Auswärtigen Amtes.

Bei der Frau, die nun nach der Landung in Deutschland festgenommen wurde und seitdem in Halle in Untersuchungshaft sitzt, handelt es sich um eine 21jährige Leonora M. aus Sangerhausen in Thüringen. Sie war im März 2015 im Alter von 15 Jahren nach Syrien gereist, um sich dem IS anzuschließen. Nach Angaben des Generalbundesanwalts heiratete sie nach ihrer Ankunft in Syrien nach islamischem Ritus einen Angehörigen des IS-Geheimdienstes und wurde dessen „Drittfrau“. „In Raqqa kümmerte sich die Beschuldigte in der Folge zur Stärkung der Terrororganisation nicht nur um die häusliche Arbeit und die Erziehung der zwischenzeitlich zwei gemeinsamen Kinder, sondern arbeitete zusätzlich noch einige Zeit in einem ‘IS’-Krankenhaus als Pflegekraft“, teilte die oberste deutsche Ermittlungsbehörde mit. Neben monatlichen Unterstützungszahlungen in Höhe von 50 US-Dollar habe sie von der Vereinigung zudem noch eine halbautomatische Selbstladepistole der Marke Glock erhalten.

„Ende des Jahres 2015 erwarb der Ehemann der Beschuldigten im Zuge des systematischen und ausgedehnten Angriffs des ‘IS’ gegen die Jesiden eine Frau jesidischen Glaubens als Sklavin mit dem Ziel, diese nebst ihren beiden Kindern gewinnbringend weiterzuveräußern. Leonora M. unterstützte dieses tatsächlich auch realisierte Vorhaben und sorgte deshalb gezielt dafür, den schlechten Allgemeinzustand der jesidischen Frau zu verbessern.“ Gleichzeitig sei die Beschuldigte aber nach Ansicht des Generalbundesanwalts bestrebt gewesen, die Jesidin von ihren aus Sicht des IS als Irrglauben angesehenen religiösen Überzeugungen zu dem seitens des IS vertretenen Islamverständnis hinzuführen.

Der jungen Frau, die mit ihren zwei Kindern zurück nach Deutschland geholt wurde, werden von der Bundesanwaltschaft im einzelnen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen.

Neben Leonora M. wurden auch die IS-Anhängerinnen Merve A. aus Hamburg und Yasmin A. aus Bonn nach Deutschland geflogen. Auch gegen die beiden Frauen wird wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ermittelt.