© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/21 / 08. Januar 2021

„Neue patriotische Werkzeuge“
Nach den Wahlen in den Vereinigten Staaten: Trump-Anhänger suchen nach neuen freien Medien
Boris T. Kaiser

In den Vereinigten Staaten herrscht nach der Präsidentschaftswahl Bewegung auf dem alternativen Medienmarkt abseits der klassischen Presseerzeugnisse. Zu hoch ist vielen Amerikanern die Anzahl der von vielen Medien weitgehend verschwiegenen, vermeintlichen Ungereimtheiten bei der Stimmenauswertung. Auch daß Journalisten, die jegliche Nachfrage nach Verstrickungen der Biden-Familie in krumme internationale Machenschaften vor der Wahl als „Fake News“ abtaten, nun plötzlich selbst darüber berichten, hat das Vertrauen in die etablierten Zeitungen, TV-Sender und sozialen Netzwerke geschwächt. 

Doch auch einstige Lieblingsmedien vieler Rechter und Konservativer fallen in Ungnade (JF 48/20). So kritisierten in den vergangenen Wochen bei Protesten für Donald Trump zahlreiche Demonstranten Fox News, weil der Sender auf die Gewinnerseite Joe Bidens gewechselt habe. Der UFC-Starkämpfer und bekennende Trump-Unterstützer Jorge Masvidal rief auf Instagram dazu auf, die altbekannten sozialen Netzwerke und Sender nicht mehr zu nutzen, um „eine Nachricht senden“. Dazu teilte er ein Foto mit „neuen patriotischen Werkzeugen“, auf dem Alternativen zu Facebook, Fox und Twitter aufgelistet waren – darunter OAN, Rumble oder Duck Duck Go.

Der erst 2013 gegründete Nachrichtensender One America News Network (OAN) erreicht bereits 35 Millionen amerikanische Haushalte und ist damit der viertgrößte Nachrichtenkanal des Landes nach CNN, MSNBC und Fox News. Auch im Fernsehzimmer des Weißen Hauses scheint der Sender (zumindest noch) regelmäßig über den Bildschirm zu flimmern. Präsident Trump nutzte OAN jedenfalls mehrfach als Quelle für seine Tweets und schrieb auf Twitter seine Empfehlung aus: „Testen Sie OAN. Wirklich großartig!“ 

Kritiker, oft aus den Reihen der direkten TV-Konkurrenz, werfen dem von dem Unternehmer Robert Herring gegründeten Nachrichtennetzwerk mit Sitz in San Diego die Verbreitung von unbewiesenen Behauptungen, Verschwörungstheorien und „bezahlter russischer Propaganda“ vor. Kommentatoren wie die sich zu den Demokraten bekennende MSNBC-Moderatorin Rachel Maddow stützen sich dabei unter anderem darauf, daß ein Mitarbeiter des Senders früher für die russische Nachrichtenagentur Sputnik gearbeitet habe. Youtube drehte dem Kanal des als rechts geltenden US-Senders erst kürzlich wegen Verstößen gegen die Covid-Richtlinien für eine Woche den Geldhahn auf der Videoplattform zu. OAN hatte dort einen Beitrag über eine vermeintliche Corona-Kur gepostet.

Zensurmaßnahmen nehmen zu

Weitere Angebote, die unter Trump-Anhängern an Beliebtheit gewonnen haben, sind newsmax.com, Newsmax TV und das Newsmax Magazine. Die Internetseite, der Kabelkanal und die Zeitschrift gehören zu der 1998 von Christopher Ruddy gegründeten konservativen Newsmax Media Gruppe in Florida.

Gleichzeitig nehmen jedoch die Zensurmaßnahmen in den Online-Netzwerken aus dem linksliberalen Silicon Valley zu. Immer wieder haben pandemieskeptische, rechte und Trump-nahe Medienmacher mit der Demonetarisierung ihrer Inhalte zu kämpfen. Twitter versieht Beiträge Trumps zu der Wahl und dem von ihm vermuteten Stimmenbetrug in hoher Frequenz mit Warnhinweisen. Immer wieder gibt es in den USA, aber auch in Deutschland, Anzeichen dafür, daß die großen Internetfirmen rechtskonservative Seiten in ihren Reichweiten beschränken. Ein Indiz: Die Besucherzahlen auf Netzseiten, welche über Netzwerke wie Facebook kommen, fallen ab.

Die Probleme, mit denen die Start-ups teilweise ebenfalls zu kämpfen haben, stellen meistens auch die Motivation für ihre Gründung dar. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht Mainstreammedien oder eine einflußreiche linke Organisation wie die Anti-Defamation League (ADL) oder das Southern Poverty Law Center (eine Art US-Pendant zur Amadeu-Antonio-Stiftung) freien Kommunikationsdiensten von den Twitter-Alternativen Parler (JF 33/20) und Gab (JF 25/17) bis zum WhatsApp-Konkurrenten Telegram (JF 32/19) vorwerfen, die Verbreitung rechtsextremer Botschaften zu fördern. 

Diese Negativ-Kampagnen veranlassen Zahlungsabwickler wie PayPal dazu, den neuen Anbietern ihre Dienste zu verweigern und sogar bestehende Geschäftskonten zu kündigen. Ein technisches Aufschließen zu den Markt-Riesen wird dadurch genauso erschwert wie die Gewinnung großer Content-Anbieter, wie beispielsweise Filmemacher und Blogschreiber, die sich anderswo bereits einen Namen gemacht haben.

So richtig durchgesetzt hat sich auch deswegen bisher keiner der neuen Dienste. Zwar haben prominente Persönlichkeiten wie der Youtube-Megastar PewDiePie oder der in den USA populäre konservative Politkommentator Dinesh D’Souza Plattformen wie dem Live-Streamingdienst dlive.tv oder dem Videoportal bitchute.com durchaus zu einem gewissen Nutzerschub verholfen. Die große politisch-mediale Wende am digitalen Aufmerksamkeitsmarkt blieb aber bislang aus. Auch das „Video Management System“ rumble.com, das Datenhandel ablehnende, targetingfreie Netzwerk mewe.com und der verschlüsselte Messengerdienst Signal, den Wisthle­blower Edward Snowden angeblich „täglich nutzt“, kommen einfach nicht an die Nutzerzahlen der Tech-Giganten heran. Dabei verspricht Signal, „keine Werbung“ und „kein Tracking“ einzusetzen.

Die Versuche, der Übermacht von Youtube und Co. etwas entgegenzusetzen, sind trotz alledem nicht am Ende. Die derzeit optisch attraktivste freie Video-Alternative ist die Seite odysee.com. Hier haben nicht nur die Videos der rechtslibertären Youtube-Verbannten Stefan Molyneux und Alex Jones ein neues Zuhause gefunden, sondern auch Identitären-Leitwolf Martin Sellner und den Verschwörungstheoretiker Oliver Janich findet man hier bereits.

Keine relevanten Nutzerzahlen

Weil bei Google gesuchte Inhalte fernab des politischen Mainstreams unpopulär weit unten gelistet und zuerst oft zahlreiche zugeschnittene und mitunter erzieherisch anmutende Individual-Ergebnisse angezeigt werden, sehnen sich viele kritische Nutzer auch hier nach einer Alternative. Die Suchmaschine duckduckgo.com will eine solche sein. Der Anbieter beteuert ebenfalls: „Wir speichern keine persönlichen Daten. Wir verfolgen dich nicht mit Werbung. Wir tracken dich nicht. Niemals.“ Wer die Suchmaschine testet, stellt fest, daß sie in vielen Fällen tatsächlich deutlich mehr Informationen zu gesuchten Personen oder Organisationen anzeigt, und nicht direkt die Meinungen anderer zu den Gesuchten einblendet. 

Das alles bedeutet freilich noch lange nicht, daß diese alternativen Medien ihre einschränkungsarmen Grundsätze auch beibehalten, wenn die Nutzerzahlen tatsächlich einmal nach oben schießen sollten und der gesellschaftliche wie der wirtschaftliche (Übernahme-)Druck steigen.