© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/21 / 08. Januar 2021

„Wir werden international beneidet“
Einblicke in den mit deutschen Steuermilliarden geförderten Wissenschaftskonzern „Klimaforschung“
Christoph Keller

Im Corona-Jahr 2020 ist die deutsche Wirtschaftsleistung um 5,4 Prozent gesunken. Die Konsumausgaben und die Ausrüstungsinvestitionen sind eingebrochen. Viele Branchen kämpfen ums Überleben. Das von der Deutschen Bank für dieses Jahr prognostizierte 4,5-Prozent-Wachstum kann den Einbruch nicht ausgleichen – dennoch kletterte die Mehrwertsteuer, und das neue Brennstoffemissionshandelsgesetz (JF 43/20) verteuert Benzin, Diesel, Gas und Heizöl. Die Luftverkehrsteuer belastet das Fliegen mit bis zu 59,43 Euro pro Passagier und einfachem Flug.

Doch die Bundesregierung sieht sich als Vorreiter beim Klimaschutz – daran konnte auch die anhaltende Corona-Pandemie nichts ändern. Das Virus, so befindet die an der Spitze des Climate Service Center Germany (Gerics) stehende Daniela Jacob (Uni Lüneburg), erteile eine harte Lektion: „Die Menschen erleben gerade, daß sie etwas bewirken können.“ Die Bürger durch Einhaltung der „Aha-Regeln“ (Atemmaske/Hygiene/Abstand), die gesundheitspolitsch Verantwortlichen durch die Bereitstellung eines Covid-19-Impfstoffes.

„Ungeheurer Motivationsschub“

Doch die Meeresbiologin glaubt, die Corona-Krise sei „nur ein Geplänkel verglichen mit dem, was uns in Zukunft erwartet“. Pandemien könnten von den häufigeren „Klimaextremen“ begünstigt werden. Zwar sei das „Klimapaket“ der Regierung „unsäglich klein“, aber es werde ein klares Signal ausgesendet: „Wir haben verstanden.“ Und daher wird es weitergehen mit der üppigen Förderung des kaum zu überschauenden Netzwerks der „Akteure“ in der Klimaforschung. Angefangen, daran erinnert Angela Lindners Rückblick in der Deutschen Universitätszeitung (10/20), hat alles vor fünf Jahrzehnten. Damals wurde Konsens, daß menschengemachtes CO2 nicht nur meßbar ist, was 1958 US-Meteorologen auf Hawaii nachwiesen, sondern auch das Klima beeinflusse. Als zweite Einrichtung weltweit entstand daher 1974 in Hamburg das Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) mit dem Auftrag, dies zu erforschen.

Die UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro, die 1992 die 178 Teilnehmer darauf einschwor, „den gefährlichen Klimawandel abzuwehren“, brachte dann einen „ungeheuren Motivationsschub“ und löste eine Gründerwelle aus. Im selben Jahr öffneten das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und das in der Politik-Beratung führende Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ihre Pforten. Es expandierte das Fach, die Etats wurden ständig erhöht und es gab eine wundersame Stellenvermehrung. Die Klimawissenschaftler erhielten in der „öffentlichen wie der fachlichen Welt große Anerkennung“. Daher gebe es reichlich wissenschaftlichen Nachwuchs.

Bald wurde ihr Forschungsfeld „Impulsgeber für ganzheitliche Wissenschaftsansätze“. Es entstanden neue Unterdisziplinen von der Klima- und Bioökonomie bis hin zur „Klimaethik“. Seit 2012 ist „Gender und Klima“ obligatorischer Tagesordnungspunkt der alljährlichen Klimavertragsstaatenkonferenzen (COP). Auf der UN-Klimakonferenz 2017 in Bonn (COP23) wurde sogar ein „Gender Action Plan“ beschlossen, der beim Klimathema Geschlechterparität und die Beteiligung von Frauen in Führungsrollen vorschreibt. Die Klimarahmenkonvention (UNFCCC) sieht Migration „als Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ an.

Zudem gibt es angeblich methodologische Fortschritte durch neuartige Meßgeräte und innovative Verfahren, die wiederum neue Gebiete wie die Simulationswissenschaften oder das langfristige Prognosen ermöglichende „Supercomputing“ erschlossen. Doch Klimaforscher wollen nicht nur passive Datenlieferanten sein, sie begreifen sich längst als Berater und Dienstleister im Rang „gesellschaftpolitischer Akteure“ – was das traditionelle Selbstbild von „objektiver und politisch neutraler Wissenschaft“ zugunsten des „engagierten“ Forscher-Aktivisten aufweicht.

„Ideenschmiede für Klimadienstleistungen“

Über diesen Paradigmenwechsel verliert Lindner in ihrer mit Hochglanzbildern, die Mitarbeiter des Alfred-Wegner-Instituts in arktischen und antarktischen Eiswüsten zeigen, illustrierten Erfolgsstory kein kritisches Wort. Und die Politik honoriert solchen Einsatz ebenfalls. 2007 etabliert sich das Exzellenzcluster „Climate Change and Society“ an der Uni Hamburg. Das dortige „Haus der Erde“ für 303 Millionen Euro soll 2024 fertig sein. 2009 entsteht das Gerics als „Ideenschmiede für Klima-Dienstleistungen“ im Rahmen einer von der Bundesregierung verfolgten „High-Tech-Strategie zum Klimaschutz“.

80 Natur- und Geisteswissenschaftler, Ökonomen und Architekten beraten hier Politik, Verwaltung und Firmen, „wie sie Auswirkungen des Klimawandels auf regionaler Ebene managen können“. Offenbar um die Glaubwürdigkeitsprobleme verursachende staatliche Abhängigkeit zu lockern, hoben Wissenschaftler um den heutigen MPI-M-Leiter Jochem Marotzke das Deutsche Klima-Konsortium (DKK) aus der Taufe, dem derzeit zwei Dutzend Institute und Universitäten angehören.

Das DKK sichert seine Grundfinanzierung allein aus Mitgliedsbeiträgen. Projektmittel verteilt es nicht, ein Manko, das durch die Medienpräsenz seines Vorstandschefs Mojib Latif vom Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung etwas ausgeglichen werde. Am Haupttrend staatlicher Alimentierung ändert die DKK-Selbstfinanzierung nichts. Die nimmt seit dem 2011 verkündeten schnellen Atomausstieg großindustriellen Umfang an, gegen die das „Manhattan Project“, das US-Programm zum Bau der Atombombe, fast kleinlich wirkt. Ein vorläufiger Höhepunkt der Förderung ist 2019 erreicht worden. Der Geldregen ging bis dahin auf Klimaforscher an hundert deutschen Universitäten, beim Deutschen Wetterdienst und außeruniversitären Einrichtung der Max-Planck-Gesellschaft sowie der Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft nieder. Allein die Mittel für dreizehn hauptsächlich zum Klima forschende Leibniz-Institute stiegen von 2011 bis 2019 von 141,2 auf 198,6 Millionen Euro.

Im Juli 2019 stockte eine neue „Helmholtz-Klima-Initiative“ die Stellenzahl für Klimaforscher schlagartig um 70 auf. Insgesamt bewilligte der Forschungsverbund dieser Sparte 2019 etwa 500 Millionen Euro – zehn Prozent seines Gesamthaushalts. Seit 2010 stiegen die Bundesforschungsausgaben im Sektor „Klima, Umwelt, Nachhaltigkeit“ von einer auf 1,5 Milliarden Euro jährlich. Im Unterpunkt „Klima, Klimaschutz, Globaler Wandel“ nimmt sich dieser Zuwachs noch imposanter aus: Genügten dafür 2011 rund 210 Millionen, verschlang dieser Posten 2019 349 Millionen Euro.

MPI-M-Chef Marotzke freut es: „Um solche Förderung werden wir international beneidet.“ Deutschland, dessen naturwissenschaftlich-mathematischer Nachwuchs in internationalen Wettbewerben seit 2008 kontinuierlich zurückfällt, dürfte stolz darauf sein, zu den stärksten Klimaforschungsnationen weltweit zu gehören.

www.deutsches-klima-konsortium.de

www.gerics.de