© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/21 / 08. Januar 2021

Der Flaneur
Immer diese Beifahrer
Claus-M. Wolfschlag

Parkplatzsuche. „Da ist einer, fahr rein“, rufe ich. P. reagiert und parkt. „Zum Glück bist du nicht meine Tante, die hätte verstanden ‘Da ist keiner. Fahren wir heim’“, sage ich. P. antwortet: „Und zum Glück bist du nicht meine Mutter.“

Wir steigen aus dem Auto. „Nein, im Ernst. Meine Tante hört schlecht“, erkläre ich. Wenn ich ihr am Telefon eine Frage stelle, kommen falsche Antworten. Wenn ich sage, sie solle mal zum Ohrenarzt gehen, sagt sie, daß sie ja immer gehe. Wenn ich frage, wann sie das letztemal dort war, weiß sie es nicht. Vor einem Jahr, vielleicht vor zwei oder vor vier. Wenn ich etwas erzählen will, ruft sie „Was?“ Wenn ich dann lauter rede, antwortet sie: „Warum schreist du mich jetzt an?“ Und das Autofahren sollte sie in ihrem Alter auch lassen.

Jedesmal erzählt er aufs neue, daß er nicht an einer Bushaltestelle parken darf.

„Und meine Mutter ist eine schreckliche Beifahrerin“, erzählt P. Seit vielen Jahren gehe er mit ihr sonntags in dasselbe Restaurant. Wenn er dort einen Parkplatz sucht, findet jedes Mal der gleiche Dialog statt. Seine Mutter entdeckt dann eine nicht zugestellte Fläche. „Da ist ein Parkplatz“, ruft sie. Und er erklärt jedesmal von neuem, daß es sich dort um eine Bushaltestelle handelt. Er dreht eine Runde, und seine Mutter ruft: „Schau mal, da ist frei.“ Und P. dreht dann durch: „Das ist doch die Bushaltestelle, an der wir gerade schon mal vorbeigefahren sind. Ich kann nicht auf einer Bushaltestelle parken. Du tust so, als wärst du das erstemal in dieser Gegend.“ Er dreht noch eine Runde. Ein PKW hat sich kurz an die Bushaltestelle gestellt, läßt eine Person aussteigen, setzt den Blinker und fährt davon. Und P. werde dann von seiner Mutter angetippt. „Was ist denn?“ fragt er. Und sie antwortet: „Da ist einer rausgefahren.“

Wir betreten das Lokal und bestellen. „Ja, gut, daß ich nicht deine Mutter bin. Wagen abgeschleppt. Nach dem Essen laufen“, sage ich. „Und gut, daß ich nicht deine Tante bin. Heimfahren, aber ohne Essen“, antwortet P.