© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/21 / 15. Januar 2021

Lockdown und kein Ende
Ruhe als erste Bürgerpflicht
Birgit Kelle

Das Trainingslager zur Befolgung sinnloser Anordnungen für den untertänigen Bürger – auch „Lockdown“ genannt – wird also fortgesetzt. Willkommen im zehnten Monat der Corona-Pandemie, deren Ende unabsehbar ist, weswegen wir uns alle bemühen müssen, daß möglichst niemand und wenn, dann nur gesunde Menschen sterben. Aus temporärer Willkür im Namen des Gesundheitsschutzes ist längst eine dauerhafte Schizophrenie mit Maßnahmen- und vor allem Verbotskatalogen geworden, die sich nicht an Notwendigkeiten, Logik, Verhältnismäßigkeiten, Nützlichkeiten oder geschweige denn an Verfassungsrechten der Bürger messen müssen, sondern an einem ebenso willkürlich festgelegten Inzidenzwert unter 50. Einem Wert, den selbst ein Fachmann wie der Direktor des Influenza-Programms der WHO, Klaus Stöhr, in jedem normalen Grippewinter als reines Wunschdenken bezeichnet. Zusammen mit dem Impfstoff-Beschaffungsdesaster der Regierung, die mit dem politischen Tausendsassa Ursula von der Leyen lieber „Impfnationalismus“ statt das Virus bekämpft, wird der Dauerzustand des Ausnahmezustands zuverlässig den Sommer erreichen. 

Langzeitstrategie? Nicht in Sicht. Statt dessen darf der Bürger jeden Monat neu anfragen, ob man ihm wohl freundlicherweise Teile seiner Verfassungsrechte wieder zugestehen mag. Die FDP, einst Verteidigerin von Freiheitsrechten für Bürger und Wirtschaft, hält derweil hauptberuflich Winterschlaf.

Zu oft und zu laut sollte der brave Bürger allerdings nicht nachhaken, denn es macht verdächtig. Dank Markus Söder wissen wir jetzt, daß aus bösen Gedanken böse Worte und schließlich böse Taten werden können und die friedliche Öko-Querdenker-Oma, die sich dazu partout nicht impfen lassen will, damit bereits latentes Mitglied einer „Corona-RAF“ sein könnte. Corona-Terroristen: Endlich ein neuer Grund für noch mehr Maßnahmen, jetzt auch inklusive Gedankenpolizei. Der Präsident des Bayerischen Gemeindetages will gar Handydaten auslesen dürfen, um die Bewegungsprofile der Bürger zu überprüfen, nicht daß da einer weiter als 15 Kilometer fährt, um seinen Schlitten in den Schnee zu stellen. Früher wären Datenschützer durchgedreht. Im Namen des Gesundheitsschutzes darf der brave Bürger überwacht, kontrolliert und drangsaliert werden. Man wünschte sich, die Überwachung der deutschen Grenze würde mit derselben Akribie vorangetrieben, die ist aber bekanntlich alternativlos nicht zu sichern.

Merke: Der brave Bürger widerspricht nicht, gehorcht bedingungslos, verzichtet auf Einkommen, Kunst, Kultur, Konsum, Freunde und Verwandte und läßt sich freiwillig impfen, wenn er an der Reihe ist. Er spart sich Seelsorge und stirbt alleine, um andere nicht unnötig zu gefährden. Auch Tiere kann man so halten. Unsere Verfassung ist aber für mündige Bürger gemacht.