© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/21 / 15. Januar 2021

Damals war es Friedrich
Kampf um den CDU-Parteivorsitz: Bis zuletzt werden die Delegierten hinter den Kulissen für einen der Kandidaten bearbeitet / Entscheidung am Wochenende
Hinrich Rohbohm

Es ist der Tag der Entscheidung. Fast ein Jahr ist es her, daß Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Rücktritt als CDU-Chefin sowie ihren Verzicht auf die Kanzlerkandidatur für die Union erklärt hatte. Seitdem entwickelt sich ihre Nachfolge zur Hängepartie. Mitverantwortlich dafür sei der nach wie vor von Merkel-treuen Anhängern dominierte CDU-Bundesvorstand, mutmaßen einige in der Partei. 

Denn nach dem Rückzug Kramp-Karrenbauers bestand für die Kanzlerin die Gefahr, daß ihr alter Kontrahent Merz es im zweiten Anlauf schaffen könnte, den Parteivorsitz zu übernehmen und einen Kurswechsel einzuleiten. „Die wollten Zeit gewinnen, um andere Kandidaten in eine bessere Position zu bringen“, sagt ein Delegierter der JUNGEN FREIHEIT, der am Samstag für den Sauerländer votieren wird. 

Im Vorfeld zofft sich die Frauen-Union 

Verwunderlich ist es daher nicht, daß Friedrich Merz ein Manöver des „Parteiestablishments“ witterte, um ihn zu „zermürben“. Doch in Corona-Zeiten gelten andere Spielregeln als unter normalen Parteitagsbedingungen. Die Delegierten sind nicht vor Ort. Allein schon der im Plenum sonst herrschende Konformitätsdruck ist nicht so präsent wie sonst. Keine Mitarbeiter, die vor Mikrofonen zum Klatschen postiert werden können. Ton, Beleuchtung, Akustik, all das ist nun anders. Kaum Atmosphärisches ist da, was eine Parteitagsregie beeinflussen könnte. Entsprechend viel wurde seitens des „Parteiestablishments“ in den vergangenen Tagen telefoniert, wichtige Kreisvorsitzende und Delegierte kontaktiert. Um einen zu verhindern: Friedrich Merz.

Auch die Vorsitzende der Frauen-Union (FU), Annette Widmann-Mauz, hatte eigentlich ein Votum für Armin Laschet in ihrem Bundesvorstand auf den Weg bringen wollen. Laschet war einst Redenschreiber der langjährigen FU-Vorsitzenden Rita Süßmuth; Widmann-Mauz, Staatsministerin im Kanzleramt, gilt als enge Vertraute Angela Merkels. Das Vorhaben scheiterte. Zu viele Damen konnten sich für Röttgen erwärmen, einige sogar für Merz. Nach langer und lebhafter Diskussion folgte schließlich die Empfehlung, Röttgen und Laschet unterstützen zu wollen. Was wiederum für Irritationen bei Teilen der Basis der Frauen Union sorgt. Dort fragen sich Merz-Unterstützerinnen nun, warum der Bundesvorstand der Frauen Union kein Mitgliedervotum eingeholt habe. Widmann-Mauz schwieg bisher dazu.

Laschets Landesverband stellt auf dem Bundesparteitag die mit Abstand meisten Delegierten. Fast ein Drittel der Stimmberechtigten kommen aus Nordrhein-Westfalen. Ebenso wie alle drei Bewerber um den Vorsitz. Als Regierungschef und CDU-Landesvorsitzender dürfte Laschet hier die Nase vorn haben. Zudem verstand es der gewiefte Taktiker immer wieder, auch über seine Kernanhängerschaft hinaus in seinem Verband zu punkten, etwa indem er wie beispielsweise bei der Landtagswahl 2017 gleich mehrere Konservative in seinen Apparat holte. Insider gehen nun von einer Zustimmung von 50 Prozent plus X aus, während der Rest der NRW-Delegierten überwiegend zu Merz tendiert.

Der wiederum wird von Roland Koch unterstützt. In einem Brief an die hessischen Delegierten forderte er gemeinsam mit der ehemaligen Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth dazu auf, für den einstigen CDU/CSU-Fraktionschef zu votieren. Zahlreiche Delegierte halten sich jedoch mit Festlegungen für einen Kandidaten zurück. Zum einen aus Furcht, im nachhinein auf den falschen Kandidaten gesetzt zu haben. Zum anderen dort, wo die Basis Merz präferiert, aber die Delegierten eigentlich anders votieren wollen. Das war schon vor zwei Jahren der Fall, als Merz knapp der nun zurückgetretenen Annegret-Kramp-Karrenbauer unterlag.