© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/21 / 15. Januar 2021

Grüße aus Bozen
Nicht nur närrisch
Paul Decarlie

Mit jedem Tag, der jetzt verstreicht, kommt der Höhepunkt der fünften Jahreszeit näher und näher. Für viele heitere Gesellen ist diese närrische Zeit, mit all den farbenfrohen Kostümen und reich geschmückten Wagen, die schönste des ganzen Jahres. Doch die derzeitige epidemiologische Lage läßt dieses ausgelassene Treiben keinesfalls zu, und so fällt auch einer der traditionellsten Südtiroler Faschingsumzüge, der Traminer Egetmann-Umzug, aus.

 Der Bürgermeister Tramins, Wolfgang Oberhofer, meint dazu ganz pragmatisch: „Einen Umzug in der gewohnten Form wird es wohl nicht geben.“ Wehmut muß man trotz des Ausfalls dennoch nicht verspüren, bietet sich die ruhige Zeit ja regelrecht an, den kulturhistorischen Brauch hinter den ulkigen Reden und bunten Verkleidungen zu betrachten. Denn Karneval, Fasching oder wie man es auch sonst nennen will, ist viel mehr als Party und Alkoholexzesse.

„Sicher werden wir uns nicht ganz zurückziehen – Verkleiden ist nicht verboten“

Seinen Ursprung hat das närrische Treiben im Gedanken, die kalte Jahreszeit auszutreiben und den fruchtbringenden Frühling einzuläuten. Und dies im wahrsten Sinne des Wortes, war es doch früher Brauch, nur auf dem Höhepunkt der Feierlichkeiten zu heiraten. So überrascht es auch nicht, daß der alle zwei Jahre stattfindende Umzug im malerischen Dorf Tramin eine Hochzeitsveranstaltung nachspielt. Im Mittelpunkt steht dabei der Bräutigam, der Egetmann-Hansel. Dieser ist, nach alter Tradition, ein wohlhabender Mann und zieht mitsamt seinem ganzen Gefolge feiernd durch die engen Gassen. Verkörpert wird er dabei von einer Puppe, und auch seine Braut ist etwas ganz Besonderes: Sie wird, wie alle weiblichen Rollen des Umzuges, von einer männlichen Person verkörpert.

Den ersten Beleg für das Abhalten dieses Ritus findet man in einem Gerichtsbuch aus dem Jahre 1591. Außer in Tramin gibt es im Alpenraum nicht mehr viele Dörfer, wo sich so alte Traditionen über Jahrhunderte haben halten können. So ist der Umzug in seiner Tradition nicht nur ein wertvolles Tiroler Geschichts- und Kulturgut, sondern vor allem ein ganz lebendiges, ja wesentliches Stück Tramin, ein Teil seiner Bevölkerung mit all ihren Eigenarten und Lebensfreuden. Und nachdem aufgeben noch nie eine Stärke der Traminer Bevölkerung war, meint der Obmann des Egetmann-Vereins Günter Bologna: „Sicher werden wir uns nicht ganz zurückziehen, denn das Verkleiden ist ja nicht verboten.“