© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/21 / 15. Januar 2021

Gefahr für Arbeitnehmer, Zulieferer und Kreditgläubiger
Zombies in der Krise
Dirk Meyer

Niedriglöhne ermöglichen die Beschäftigung von Ungelernten oder Fehlqualifizierten. Der deutsche Sozialstaat stockt die geringen Einkommen auf. In Corona-Zeiten wird dieses Modell jedoch auf Firmen und Selbständige übertragen. Der Null-/Niedrigzins hat Unternehmen überleben lassen, die kaum ihre Kapitalkosten erwirtschaftet haben. Es blieb wenig Gewinn zur Aufstockung der Eigenkapitalpuffer. Die Folgen zeigt die Corona-Krise. Mit Bürgschaften, Kredit- und Eigenkapitalhilfen sowie Soforthilfen für Selbständige, Freiberufler und Kleinbetriebe muß der Staat über die Krise retten. Die vorübergehende Aussetzung der Insolvenz­antragspflicht wurde bis 31. Januar verlängert.

Die Gefahren sind offensichtlich. Denn Insolvenzen sind ein Mechanismus, um Unternehmen ohne ein tragfähiges Geschäftsmodell entweder zu schließen oder zu sanieren. Nur so werden Arbeitnehmer, Zulieferer und Kreditgläubiger vor größeren Ausfällen geschützt. Für 2020 verzeichnet der Verband der Vereine Creditreform trotz Konjunktureinbruchs gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang der Firmeninsolvenzen von 18.830 auf 16.300 (minus 13,4 Prozent). Statistisch gesehen hätten damit bereits bei unveränderter Konjunktur weitere etwa 2.500 Firmen Insolvenz anmelden müssen. Diese und weitere coronabedingte Ausfälle drohen nach dem Auslaufen der Hilfen eine Insolvenzwelle auszulösen, die auch gesunde Unternehmen mitreißen könnte.

Diese „untoten“ oder „Zombie-Unternehmen“ erschweren den Neustart und verschleppen den notwendigen Strukturwandel, indem sie Kapital und Arbeitskräfte binden, die in gesunden Unternehmen produktiver eingesetzt werden könnten. Ein ähnliches Bild liefern die Verbraucherinsolvenzen, die von 62.810 auf 45.800 (minus 27,1 Prozent) zurückgingen. Sie wurden durch Sonderregelungen beim Kurzarbeitergeld sowie  einer befristeten Stundung von Kredittilgungen und Mietschulden geschützt. Bundesbank, die Finanzaufsicht BaFin und die EZB warnen deshalb vor erhöhten Kreditausfällen, die die Stabilität des Bankensektors gefährden könnten.

Was sollte man zukünftig anders machen? Um die Spreu vom Weizen zu trennen, wären Gewinne der Vorjahre ein Indikator für die längerfristige Rentabilität. Deshalb sollte der bereits von einer auf fünf Millionen Euro erhöhte Verlustrücktrag erstens nochmals erhöht werden und zweitens nicht nur für das Vorjahr, sondern für zwei oder mehrere Jahre gelten. So kämen auch größere Unternehmen in den Genuß dieser Erleichterung und Steuern könnten über mehrere Jahre zurückgeholt werden. Alternativ könnten die Hilfen an die Einhaltung vorjähriger betriebswirtschaftlicher Kennzahlen geknüpft werden, die von der Wirtschaftsprüfung zu bestätigen wären.






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.