© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/21 / 15. Januar 2021

„Neue Gesprächskultur etablieren“
Die etwas andere Talkshow: Fairtalk.TV betreibt auf Youtube und Spotify Diskussionsformate für alle Stimmen
Ronald Berthold

Seit Juni vergangenen Jahres sendet der Hörfunk-Journalist Jens Lehrich bei Youtube, Spotify, Deezer und auf seiner Webseite die Talkshow „Auf Augenhöhe“. Name des Senders: „Fairtalk.TV“. Vor der Premiere hatte der 50jährige verkündet: „Wir möchten eine neue Gesprächs- und Diskussionskultur etablieren.“ Er wolle „verschiedene Menschen zusammenbringen und zu Wort kommen lassen“.

Nach einem halben Jahr und 13 Sendungen zeigt sich in der Tat eine höfliche, unaufgeregte und intelligente Art des Talkshowmachens. Allerdings bleibt „Auf Augenhöhe“ äußerst monothematisch ausgerichtet. In fast jeder Ausgabe geht es um die Corona-Politik, Grundrechtseinschränkungen und Berufsverbote. Auch die Sendung „Journalismus – Meinungsfreiheit – Zensur?“ drehte sich vorwiegend um das Mundtotmachen von Kritikern der Pandemie-Maßnahmen. Dabei wäre hier ein größeres Feld zu beackern gewesen.

Lehrich führt professionell und ruhig durch die Sendung, muß allerdings meist keine großen Konflikte unter den drei bis vier Teilnehmern schlichten. Die gibt es nicht. Meistens sind alle einer Meinung – übrigens genau der anderen, die der Zuschauer in den öffentlich-rechtlichen Talkshows kennenlernt. Der dreifache Familienvater bedauert das und erklärt vorab regelmäßig, daß er auch versucht habe, Leute des anderen Lagers, wie Christian Drosten, einzuladen. Lehrich betont: „Wir wollen miteinander sprechen, nicht übereinander.“

Allerdings handelt er sich reihenweise Absagen ein. So geben sich im Studio Lockdown-Kritiker wie Bodo Schiffmann, Sucharit Bhakdi, Wolfgang Wodarg und der ehemalige taz-Journalist Anselm Lenz die Klinke in die Hand. Manche waren inzwischen zweimal zu Gast, darunter Schiffmann, der die Partei „Widerstand 2020“ gegründet und wieder verlassen hat.

Doch das scheint die Zuschauer nicht zu stören. Allein bei Youtube hat „FairTalk“ 47.500 Abonnenten – eine stattliche Zahl für ein Gesprächsformat, das zwischen 90 und 145 Minuten dauert. Spitzenreiter ist mit 365.000 Aufrufen die Sendung „Wandel – Wahrheit – Weltverschwörung?“, bei der es ausnahmsweise kontrovers zuging. Gäste waren Gunnar Kaiser, Ken Jebsen, Dirk Fleck und Holger Kreymeier.

Einspieler oder Auflockerungen, wie sie bei ARD und ZDF üblich sind, sucht man vergebens. Lehrich, dessen Gesichtsausdruck im Laufe der Zeit ernster geworden ist, bricht die Sendung auf das Gespräch mit seinen Gästen herunter. So auch beim Interviewformat „Kurz nachgefragt bei“. Während der Zugang auf Youtube frei ist, aber von Werbung unterbrochen wird, kostet das Abo auf Vimeo vier Euro im Monat.