© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/21 / 22. Januar 2021

Corona-Politik
Die Tragödie in den Altenheimen
Dieter Stein

Nach Redaktionsschluß werden die Regierungschefs von Bund und Ländern neue Maßnahmen beschlossen haben, um die Corona-Pandemie weiter einzudämmen. Der Entwurf des Beschlußpapiers kursierte unter Hauptstadtjournalisten schon, bevor die Videokonferenz im Kanzleramt begann. Im Kern werden die Einschränkungen des öffentlichen Lebens befristet bis 14. Februar verlängert. Somit hangeln wir uns von Krisensitzung zu Krisensitzung, eine langfristigere Perspektive für diejenigen, die am härtesten von den Einschränkungen betroffen sind, gibt es nicht.

Bei der Auswahl der von Merkels Corona-Kabinett zu Rate gezogenen Experten fällt auf, daß diejenigen nicht gehört werden, die den andauernden Lockdown für falsch halten. Wie der Virologe Klaus Stöhr, der dafür plädiert, sich endlich stärker um den Schutz der Alten- und Pflegeeinrichtungen zu kümmern, statt den Lockdown zu verschärfen.

Tatsächlich sterben „an oder mit“ dem Virus Sars-CoV-2 fast ausschließlich betagte Menschen. Bis 12. Januar wurden vom Statistischen Bundesamt in Deutschland nach dieser Zählung 41.486 Tote erfaßt. Davon waren 88,8 Prozent 70 Jahre und älter – die übergroße Mehrzahl lebte in Alten- und Pflegeheimen. Insofern ist es unbegreiflich, weshalb sich die Regierung nicht schon seit Monaten besonders auf Schutzmaßnahmen in diesen Einrichtungen konzentriert.

Erst Mitte Dezember einigten sich Bund und Länder darauf, Schnelltests in den 11.000 deutschen Heimen zu forcieren und Personal sowie Besucher sofort zu Tests zu verpflichten. Doch wie? Die Heime sind am Limit. Es fehlt an allen Ecken und Enden Personal. Doch es dauerte weitere vier Wochen, während denen die Regierungsstellen in Bund und Ländern unfähig waren, den Einsatz von Tausenden bereitstehenden Freiwilligen zu organisieren! Jetzt (Ende Januar) sollen als letzte Reserve Bundeswehrsoldaten mobilisiert werden, die jedoch schon in den Gesundheitsämtern Feuerwehr spielen.

Neben dem Chaos und Verzögerungen bei der Bestellung von Impfdosen (Biontech hat die Auslieferung aktuell gedrosselt) addiert sich die Corona-Politik der Regierung Merkel zu einem Desaster. Um vom Kern des Problems, dem Versagen beim Schutz der gefährdeten Hauptgruppe der Alten und Schwachen abzulenken, erhöht die Regierung den aktionistischen Theaterdonner (Homeoffice ausweiten, FFP2-Masken als Pflicht, Schulen komplett schließen) und gängelt 80 Millionen Deutsche aller Altersklassen mit einer gigantischen Beschäftigungstherapie und treibt Gewerbetreibende in den Ruin.

Währenddessen sterben pro Tag weiter rund tausend Deutsche „an oder mit“ dem Virus. Nochmal: Fast ausschließlich über 70 Jahre alt. Und überwiegend in Heimen. Mit Pflegepersonal, das bis zur Erschöpfung Heldenhaftes leistet.