© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/21 / 22. Januar 2021

„Ich hätte das nicht für möglich gehalten“
Mancher kennt ihn noch aus dem Deutschlandfunk: Burkhard Müller-Ullrich war vierzig Jahre bei den Öffentlich-Rechtlichen. Dann stieg er aus, entsetzt über die Ideologisierung. Nun macht er mit „Indubio“ im Internet Politik-Talk für nonkonforme Hörer
Moritz Schwarz

Herr Müller-Ullrich, sind Sie ein „böser Rechter“?

Burkhard Müller-Ullrich: Natürlich nicht. Konservativer Liberaler trifft es. Böse werde ich nur fallweise.

Wie kommen Sie dann unter die sogenannten rechten Alternativmedien? 

Müller-Ullrich: Weil hierzulande alles so links geworden ist, daß sogar wer nur halbwegs versucht, Kurs zu halten, als rechts gilt. Einen Rechtsruck gibt es aber nicht, tatsächlich ist er, wie Hadmut Danisch sagt, eine „Linksflucht“. 

„Linksflucht“? 

Müller-Ullrich: Gemeint ist natürlich eine Flucht vor Links. 

Sie haben in den etablierten Medien Karriere gemacht. Weshalb Ihr Ausstieg – um „Indubio“ zu machen? 

Müller-Ullrich: Nein. Ich war über vierzig Jahre als freier oder leitender Redakteur bei den Öffentlich-Rechtlichen und habe zudem für verschiedene Zeitungen geschrieben, wie die Zeit, Welt, Süddeutsche, Frankfurter Rundschau oder den Focus. Doch 2016 habe ich mich beim Deutschlandfunk rausgeschlichen und hörte auch auf zu schreiben, weil ich es nicht mehr ertrug: diese wachsende Tendenz quer durch die Medienlandschaft zu einem klebrigen, linksgrünen Konsens! Und daß nicht nur ich den beobachte, zeigt der wachsende Erfolg unseres Podcasts – inzwischen erreichen wir pro Sendung bis zu 35.000 Hörer –, mit dem wir wider den Stachel löcken.

Sie sprechen bei „Indubio“ (zu deutsch „Im Zweifel“) immer wieder ironisch so, als lebten wir in einer Diktatur: Sarkasmus oder steuern wir tatsächlich auf eine totalitäre Gesellschaft zu?

Müller-Ullrich: Es ist erschütternd, aber ich bin überzeugt, daß da die Reise hingeht. Man tut alles, um uns das Wasser abzugraben, zum Beispiel wurden wir zeitweilig bei Spotify gelöscht – während die Regierung enorme Summen an systemtreue Medien verteilt, entweder direkt oder in Form von Werbeanzeigen. Gleichzeitig wird die Zensur immer rabiater, und analog zum militärisch-industriellen Komplex bildet sich ein quasi politisch-sozialmedialer-Komplex aus Politik und Big Tech-Unternehmen. Wir erleben inzwischen Entwicklungen, die wir doch alle früher für unmöglich gehalten haben – und ich beobachte bei manchen alten Kollegen, daß sie darüber regelrecht depressiv werden, weil sie keinen Ausweg mehr sehen.

Sie dagegen schon?

Müller-Ullrich: Eigentlich bin ich eine Berufs-Kassandra. Aber es gibt auch einen ansehnlichen Widerstand, und die meisten Medien tun ja zum Glück alles, damit der weiter wächst! Denn je irrer es dort wird, desto mehr Leser beziehungsweise Hörer finden Medien wie die JUNGE FREIHEIT oder unser Podcast.      

Sie nennen „Indubio“ ein „Kind Coronas“.

Müller-Ullrich: Wie etliche meiner Kollegen war auch ich in eine Art depressive Stimmung verfallen und hatte drei Jahre lang fast nichts mehr publiziert. Dann kam Corona und mir ein Gedanke, den wir schon früher bei der „Achse des Guten“ – einem politisch unkorrekten Internetblog, für den ich seit seiner Gründung geschrieben hatte – erwogen haben: nämlich einen Podcast zu machen, also eine Art Radiosendung, die man im Internet abrufen kann. Erstaunlicherweise versetzte mich das Projekt in einen Arbeitsrausch, den ich mir gar nicht mehr zugetraut hatte. Anfangs machte ich jeden Tag eine Sendung, was aber nicht durchzuhalten war. Inzwischen gibt es pro Woche zwei neue Folgen, meist dreißig bis fünfzig Minuten lang: donnerstags erscheint ein Sachgespräch, sonntags eine Talkrunde, eine Art politischer Frühschoppen.

Obwohl Sie ganz unterschiedliche aktuelle Themen behandeln, haben Sie besonders Corona den Kampf angesagt: Sie bezweifeln, daß es die Pandemie überhaupt gibt. Wie können Sie sich da – Sie sind ja kein Naturwissenschaftler – so sicher sein?

Müller-Ullrich: Ich hinterfrage Zahlen und Äußerungen des RKI, der Politik und der Medien. Letztere haben sich als die größten Panikschleudern in Sachen Corona erwiesen – vorneweg die Öffentlich-Rechtlichen. Das kommt unter anderem daher, daß diese, abgeschirmt von der Außenwelt in großen Maschinen, genannt Funkhäusern, residieren. Dort haben, als Corona aufkam, „Taskforces“ sofort alles „pandemiefest“ gemacht, also Plexiglasscheiben eingebaut etc. – lange bevor die erste Supermarktkassiererin eine solche bekommen hat. Die Sender haben für die Mitarbeiter penible Pandemiepläne erlassen mit strengen Maßnahmen. Etwa keinesfalls mehr bei Kollegen vorbeizugehen, sondern nur noch anzurufen, selbst wenn man Zimmer an Zimmer sitzt. Der Riesenapparat, den so ein Sender darstellt, funktioniert also unfreiwillig als eine „Panikmaschine“, die die Mitarbeiter, die den ganzen Arbeitstag in diesem Ausnahmezustand zubringen, natürlich in inneren Alarm versetzt: Es ist Krise! So daß Moderatoren und Redakteure schließlich mit authentischer Furcht in der Stimme vors Mikrofon oder die Kamera treten und, überzeugt von der Gefahr, die Panik weiterverbreiten.  

Wie haben sich die Öffentlich-Rechtlichen nach Ihrem Erleben verändert?

Müller-Ullrich: Ich erinnere mich an so manche politische Kontroverse in der Redaktion. Und doch hat man, wenn der andere ein Profi war, dessen Arbeit gewürdigt – auch wenn man politisch unvereinbarer Meinung war. Dieses Prinzip der Anerkennung journalistischer Qualität, unabhängig vom politischen Standpunkt, spielte jedoch eine immer geringere Rolle. Auch deshalb, weil Chefposten, die früher mit Journalisten besetzt waren, inzwischen Managertypen bekleiden – die weder Ahnung von, noch Interesse am Journalismus haben, und die auch eine Karstadt-Filiale oder einen Baumarkt leiten könnten. Das trägt dazu bei, die Kultur des Journalismus in den Öffentlich-Rechtlichen zu zerstören – zu der eben, wie geschildert, auch das kollegiale Verhältnis zu Mitarbeitern, deren Ansichten man ablehnt, gehörte. 

Also gab es in den Medien tatsächlich einmal ein anderes Ethos – das ist nicht nur ein „Früher war alles besser“-Mythos? 

Müller-Ullrich: Ich gebe zu, daß ist eine Frage, über die ich schon oft nachgegrübelt habe ... Denn ich erinnere mich, daß mir, als ich als freier Mitarbeiter beim Radio anfing, so mancher altgediente Redakteur sein Leid klagte, wie dumm und niveaulos doch alles geworden und was für ein Idiot sein Chef sei. Natürlich bemerke ich, daß ich heute selbst so rede und frage mich, ob ich nicht vielleicht nun auch nur so ein alter Knacker bin, der andere mit seinen Alt-Männer-Beschwerden behelligt. Was also, wenn eine Naturgesetzlichkeit des Alterns hinter dem steckt, was ich heute sage?

Glauben Sie, daß es so ist?

Müller-Ullrich: Tja ... eigentlich bin ich schon überzeugt, daß die Mißstände keine Einbildung sind, es gibt ja viele Beweise. Nur ein Beispiel, das übrigens dazu führte, daß ich endgültig als Moderator meinen Hut nahm: Nach der Wahl Donald Trumps 2016 machte ich mir, um meinen Eindruck zu überprüfen, eine Strichliste, wie seine Wahl im Deutschlandfunk kommentiert wurde. Ich zählte schließlich vierhundert Beiträge. Nun raten Sie ... Ja, tatsächlich stand es am Ende auf meinem Zettel 400:0 gegen Trump. Zuvor hatte ich so etwas nicht für möglich gehalten – nicht beim Deutschlandfunk! Völlig unmöglich, glaubte ich, daß, wenn alle in eine Richtung schwimmen, wir nicht wenigstens aus geistiger Widerspruchslust, die meine Kollegen sonst an allen Ecken und Enden auslebten, auch mal hier gegen den Strom schwimmen würden – ja, daß sie als Intellektuelle das sogar als ihre Pflicht betrachten würden! Aber falsch. Ein weiterer Beweis dafür, daß ich mir die Veränderungen nicht einbilde ist, daß der DLF sich schließlich von seinem Publikum verabschiedete. 

Inwiefern?

Müller-Ullrich: Der Sender war immer konservativer gewesen als die übrigen Öffentlichen-Rechtlichen. Was daher kam, daß er, initiiert vom Bundsinnenministerium Anfang der sechziger Jahre, ursprünglich ein Antipode zum Radio der DDR war, und vor allem die Deutschen hinter der Mauer mit unabhängigen Informationen versorgen sollte. Wenn ich in den neunziger Jahren irgendwohin ins Land fuhr, hieß es nur: „Sie sind vom Deutschlandfunk? Toll, den hören wir am liebsten!“ Sage ich dagegen heute jemandem, daß ich dort einmal Redakteur war, bekomme ich konsterniert zu hören: „Sagen Sie mal, was ist denn da bloß los!?“

Der DLF ist heute im Grunde politisch linksradikal, vereinzelt gar linksextremistisch, also verfassungsfeindlich.

Müller-Ullrich: Von solchen Etiketten halte ich nichts. Vor allem ist, was wir heute – und nicht nur beim Deutschlandfunk – erleben, ein unglaublicher Niveauverlust! Denn es gab auch mal eine Zeit, als man links, klug und belesen sein konnte! Und man sich nicht diesem Gedankenmüll, der sich heute als „links“ vorstellt, unterwerfen mußte. Eigentlich halte ich diesen Müll sogar ausdrücklich nicht für linksextremistisch, sondern nur für extremistisch: für eine Selbstermächtigung von Menschen, die jede Ideologie nutzen würden, wenn sie sich durch sie nur aufgewertet fühlen. 

Sie sprachen eingangs allerdings selbst von einem „links“-grünen Konsens ... 

Müller-Ullrich: Ja, doch getrieben ist der im wesentlichen nicht von echter linker Überzeugung, sondern von Dummheit. Denn anders als manche Bürger glauben, gibt es in den Sendern kein linkes Durchregieren von oben  nach unten. Im Gegenteil, daß sich dieser Konsens auf scheinbar so mirakulöse Weise durchsetzt, kommt von unten. Nämlich durch einige Hundertfünfzigprozentige in den Redaktionen, denen es gelungen ist, den Ton anzugeben, vor allem aber durch die Bereitschaft so vieler Mitarbeiter zum Mitläufertum – was wiederum mit Dummheit und Charakterlosigkeit zu tun hat. 

Kann das gestoppt werden? 

Müller-Ullrich: Nur, wenn irgendwann auch andere Parteien mit genügend Gewicht in den Rundfunkräten sitzen.

Sagten Sie nicht eben, es gebe dort kein „Durchregieren von oben“? 

Müller-Ullrich: Richtig, aber genug Gegengewicht in den Rundfunkräten würde die Stimmung ändern. Die zunehmende Gleichgeschaltetheit ist, wie gesagt, Folge unglaublicher Feigheit: Was denken Sie, wie viele von denen, die jetzt im Sinne von Gender oder angeblichem Antirassismus etc. groß die Klappe aufreißen, ganz feige Naturen sind! Wenn diese Bekenntnisse nicht mehr eine Sache von vorteilbringendem Mitläufertum wären, sondern man für sie auch mal Gegenwind bekäme, wäre ganz schnell wieder Schluß damit. Das Ganze ist nur auf Opportunismus und Gespür dafür, woher gerade gesellschaftlich der Wind kommt, gebaut. 

Sie moderieren weiterhin, wie seit dreißig Jahren, als freier Mitarbeiter die Sendung „Forum“ im SWR 2-Radio und machen gelegentlich die Kulturpresseschau für den Kanal „Deutschlandfunk Kultur“. Wie können Sie so frei sprechen, ohne da gekündigt zu werden?

Müller-Ullrich: Vielleicht mache ich einfach ordentliche Arbeit – in einem ganz professionellen Sinn. 

Wieso arbeiten Sie noch für Häuser, die Sie so verachten? 

Müller-Ullrich: Ich bin nicht mehr ganz jung und brauche das Geld. 

Wie können Sie – oder wir, denn das gilt natürlich auch für diese Zeitung – eigentlich sicher sein, daß wir im Zuge unserer medialen Opposition nicht ebenfalls ideologische Ignoranz und politisches Mitläufertum nähren, nur eben rechts statt links?  

Müller-Ullrich: Solche Sicherheit gibt es nicht. Im Gegenteil: als geistiger Mensch muß man sich immer auch fragen, ob man wirklich anders handelt als der, den man kritisiert, und nicht nur spiegelbildlich. Oder ob man nicht ebenso nur in einer Blase denkt, wie wir es den Etablierten vorwerfen. Andererseits ist es auch eine Frage von Gerechtigkeit, der übermächtig einseitigen Propaganda des linken Medien-Mainstreams etwas entgegenzusetzen, was wir bei „Indubio“ nach besten Kräften wöchentlich tun! 






Burkhard Müller-Ullrich, moderiert den im März 2020 gestarteten Podcast „Indubio“ (Logo rechts), der im Internet auf der Netzseite der „Achse des Guten“ und auf Youtube zu finden ist. Der Journalist und Buchautor schrieb für alle großen Zeitungen im deutschsprachigen Raum sowie für sämtliche Radiosender mit Kulturprogramm. Er studierte Philosophie, Geschichte und Soziologie, war zunächst unter anderem für den Bayerischen Rundfunk, die Süddeutsche Zeitung und die Frankfurter Rundschau tätig, wechselte zum Schweizer Radio, schrieb für Zeitungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz und wurde 1997 Leiter der Redaktion „Kultur heute“ des Deutschlandfunks, wo er noch bis 2016 moderierte. Heute ist er freischaffender Autor. Schon 1996 widmete er ein Buch dem Thema „Medienmärchen. Gesinnungstäter im Journalismus“. Geboren wurde Müller-Ullrich 1956 in Frankfurt/Main.

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Foto: Studiomikrofon: „Es gab eine Zeit, als man links, klug und belesen sein konnte und man sich nicht diesem Gedankenmüll, der sich heute als ‘links‘ vorstellt, unterwerfen mußte. Eigentlich halte ich diesen gar nicht für links, sondern nur für extremistisch: für eine Selbstermächtigung von Menschen, die jede Ideologie nutzen würden, wenn sie sich durch sie aufgewertet fühlen“

 

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