© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/21 / 22. Januar 2021

Ländersache: Mecklenburg-Vorpommern
Mehr für die Diener zweier Herren
Paul Leonhard

Wer einmal treu und brav dem Staat gedient hat, soll dafür auch später von diesem belohnt werden. Selbst wenn es sich bei dem Dienstherren um einen Unrechtsstaat gehandelt hat.

Das sind die Signale, die die rot-schwarze Regierung von Mecklenburg-Vorpommern derzeit ins Land sendet: Dort will man Staatsdienern, die nicht einmal die politische Wende vor 30 Jahren aus dem Sattel werfen konnte, ihre Zeiten der „systemnahen Tätigkeiten“ für den kommunistischen Unterdrückungsstaat stärker als bisher auf das Altersruhegeld anrechnen und zwar rückwirkend zum 1. Januar 2019. Die bisher gezahlte Rente für jene Jahre soll auf vergleichbare Beamtenbezüge erhöht werden. So sieht es der Entwurf eines Beamtenversorgungsgesetzes vor, das inzwischen im Finanzausschuß des Landtags beraten wurde. 

Die Begründung für diese nachträgliche Belohnung früherer DDR-Staatsdiener hat es in sich: „30 Jahre nach der Einheit sei eine Unterscheidung zwischen Ost- und West-Biographien nicht mehr zeitgemäß.“ Eine gewaltige Ohrfeige für all jene, die es bis zum Herbst 1989 nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren konnten, einer Diktatur zu dienen und deswegen auf berufliche Karrieren verzichteten – mit allen Folgen für ihre heutigen Rentenansprüche.

Von einem „unglaublichen Affront gegenüber all jenen Bürgern in der ehemaligen DDR, die unter dem System gelitten haben“, spricht Thomas de Jesus Fernandes, sozialpolitischer Sprecher der AfD-Landtagsfraktion. Die von der Landesregierung geplante Besserstellung stelle den Staatsdienst in der DDR auf eine Stufe mit dem Beamtentum in einem Rechtstaat. Das widerspreche jedem demokratischen Grundverständnis. 

Ähnlich sieht es Anne Drescher, Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. Auch die vielen Mitarbeiter in den staatlichen Organen seien für das Funktionieren des Systems verantwortlich gewesen, erinnert sie. Mit der Angleichung der Pensionen werde einer Verharmlosung des diktatorischen Charakters des SED-Regimes befördert. 

Kritik kommt auch vom Städte- und Gemeindetag. Der Kommunalverband sieht künftig diejenigen benachteiligt, die in der Wendezeit als politisch unvorbelastetes Personal eingestellt wurden. Diesen werde ihre vorherige Erwerbsbiographie im Gegensatz zu der der regimehörigen Angestellten nicht auf den folgenden Beamtenstatus angerechnet. Die in der Linken gut organisierten Ex-Genossen können über den Entwurf von Carola Voß, Leiterin der Staatskanzlei-Abteilung „Ressortübergreifende Personalstrategie“, jubeln. Seit dem Untergang der DDR kämpfen sie permanent für höhere Renten für alle Angestellten und Volkspolizisten, die einst für ihren Staat gearbeitet haben. Rückendeckung gab es stets von der SPD-Führung. 

Inzwischen hat sich diese von der SED in die Welt gesetzte These weitgehend etabliert. Denn in Mecklenburg-Vorpommern wird nur durchgesetzt, wogegen sich allein noch der Bund, Brandenburg und Berlin sträuben, was aber in den drei mitteldeutschen Bundesländern bereits Praxis ist. Da ist zu verschmerzen, daß das Bundessozialgericht gerade gegen 30.000 ehemalige Volkspolizisten entschieden hat, die der Meinung sind, daß das vom SED-Staat einst gezahlte Verpflegungs- und Bekleidungsgeld auf ihre Rente anzurechnen sei.