© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/21 / 22. Januar 2021

Mut zur Mutti
Armin Laschet neuer CDU-Vorsitzender: Merkels Mann siegt über Friedrich Merz / „Unterstützung der Enttäuschten zurückgewinnen“
Christian Vollradt

Nach dem Erfolg ist vor dem Machtkampf. Für Armin Laschet geht die Arbeit jedenfalls jetzt erst so richtig los. Vergangenen Samstag hatte sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident bei der Stichwahl zum CDU-Bundesvorsitzenden mit 521 Stimmen (52,8 Prozent) gegen Konkurrent Friedrich Merz (466 Stimmen, 47,2 Prozent) durchgesetzt. Doch die nächsten Herausforderungen warten schon. In weniger als zwei Monaten stehen Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg an. Und vor allem die Südwest-Union zählt zu den Hochburgen seines – nunmehr ehemaligen – Mitbewerbers Merz. Ihn hätten sich viele Parteimitglieder als Zugpferd für die besonders dort hochgeschätzte mittelständische Wirtschaft im Wahlkampf gewünscht. Zu den prominenten Merz-Unterstützern gehörte Landeschef Thomas Strobl, seine Stellvertreterin Annette Widmann-Mauz ist erklärte Laschet-Parteigängerin. Möglicherweise schaffte es die Bundesvorsitzende der Frauen-Union (JF 3/21) auch deswegen nur mit einem denkbar knappen Ergebnis wieder in den Bundesvorstand. 

Der Unterlegene sorgt für Irritationen

Nun muß also der frisch gekürte Armin Laschet den Wahlkämpfern den Rücken stärken. Vom Erfolg hängt auch die Antwort auf die spannende Frage nach der Kanzlerkandidatur ab. Aus München wird CSU-Chef Markus Söder mit Interesse die Bemühungen seines neuen christdemokratischen Gegenübers beobachten. Zu dessen vorrangiger Aufgabe gehört nun erst einmal vor allem, die Wunden des innerparteilichen Wahlkampfs zu heilen. Denn das Ergebnis vom Samstag zeigte: Allen Beschwörungen der Einheit zum Trotz ist die Union faktisch zweigeteilt: In die, die für eine Fortsetzung einer Merkel-Politik ohne Merkel stehen; und die, die es für notwendig erachten, in wesentlichen Politikfeldern eine Wende einzuleiten. 

Unabhängig davon, wie groß und sicher meßbar der Zuspruch an der Basis für Merz war: Sogar unter den Delegierten stimmte nur gut die Hälfte für Laschet, den Kandidaten des CDU-„Establishments“. Man sei eine gespaltene Partei, konstatierte ein einfaches Mitglied desillusioniert. Keine Einzelmeinung. Innerhalb weniger Minuten nachdem das Ergebnis am Samstag feststand, hätten sich „Frust und Enttäuschung Tausender Mitglieder“ entladen, schreibt der junge Hamburger Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries in einem Gastbeitrag für die Welt. „Zahlreiche Kündigungen und Austrittsankündigungen erreichten mich als Kreisvorsitzenden in den Stunden danach, und bundesweit berichteten Kollegen von ähnlichen Reaktionen.“ Im Superwahljahr sei es nun die wichtigste Aufgabe des neuen Parteivorsitzenden, die Unterstützung der Enttäuschten zurückzugewinnen“.

Neben inhaltlichen Fragen geht es dabei auch um personelle. Wer soll im neuen „Führungsteam“ (Angela Merkel) die Rückgewinnung der Enttäuschten verkörpern. Der hessische Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch etwa würde sich „freuen, wenn uns Friedrich Merz erhalten bleibt“. Daß sich der Unterlegene weiter zur Verfügung stelle, zeige erneut, wie sehr es ihm um die Sache gehe, meinte das Mitglied des Parlamentskreises Mittelstand gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. „Ich hoffe, Armin Laschet sorgt für Sichtbarkeit der marktwirtschaftlichen und freiheitlichen Traditionslinien unserer Partei“, so Willsch. 

Zunächst hatte Merz mit seinem erratischen Verhalten noch am Parteitagswochenende für Irritationen und Verärgerung auch unter seinen Anhängern gesorgt. So hatte er die Kandidatur für das Parteipräsidium abgelehnt mit der erkennbar vorgeschobenen Begründung, er wolle keiner Frau den Platz wegnehmen. Der tatsächliche Grund scheint eher zu sein, daß er nicht den wirtschaftsliberal-konservativen Grüßaugust ohne echten Einfluß geben will. 

Daß er dann auch anbot, ins aktuelle Kabinett Merkel einzutreten und den Kanzlerin-Vertrauten Peter Altmaier als Wirtschaftsminister abzulösen, löste Kopfschütteln und teilweise Empörung aus. Suchte Merz im Wissen um die faktische Unerfüllbarkeit seines Ansinnens nur wieder einen Grund, sich in die Büsche zu schlagen? Der Kritisierte lenkte am Montag ein und bedauerte in einem Brief an die Parteimitglieder die ausgelösten Irritationen. Alle in der CDU sollten nun den neuen Parteichef Armin Laschet unterstützen. Und: „Auch ohne Amt werde ich mein Versprechen einlösen, für die Partei weiter engagiert zu arbeiten“, so der frühere Fraktionschef im Bundestag. Die Vorsitzende des konservativen Berliner Kreises, Sylvia Pantel, sagte im ZDF, sie „erwarte, daß man Friedrich Merz adäquat einbindet und daß man ihn nicht abspeist“. Alles andere wäre ein „falsches Signal an die Basis und die Hälfte der Delegierten“, meinte die Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete. Pantel selbst hatte für den Bundesvorstand der CDU kandidiert, war jedoch mit 38,7 Prozent gescheitert. 

„Ein guter Sieger und seine Anhänger werden sich nach einer Weile berechtigter Freude darum bemühen, den unterlegenen Wettbewerber und seine Anhängerschaft einzubinden“, ist die sächsische Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann überzeugt. „Wenn mehr als 47 Prozent der Parteitagsdelegierten und über 60 Prozent der CDU-Mitglieder Friedrich Merz zu ihrem Star machen, dann weiß auch Armin Laschet, daß die Wirtschaftsliberalen und Konservativen in der Union weit mehr sind als eben nur das Salz in der Suppe. Es sind zwei Drittel, exakt wie von den Gründervätern bestimmt“, bekräftigte Bellmann gegenüber der JF. 

Wichtig wäre, daß der innerparteiliche „durchaus auch mal kontroverse Diskurs“ nicht wie unter „Angela der Alternativlosen erledigt, sondern wieder lebendig“ werde, forderte die Infrastruktur-Politikerin. Laschet solle wie in Nordrhein-Westfalen auch in ein Kompetenzteam zur Bundestagswahl „populäre Führungspersonen“ einbeziehen, „um das Land auf Kurs zu bringen und Wahlen zu gewinnen“. Merz habe sich in seinem jüngsten Schreiben dafür aufgeschlossen gezeigt. „Für die Wahlkämpfer, vor allem im Osten, wäre das eine gute Lösung“, so Bellmann.

Der Vorsitzende der konservativen Basisorganisation Werte-Union (WU), Alexander Mitsch, hält Merz weiterhin für den richtigen Kanzlerkandidaten der Union. „Mit der Wahl Armin Laschets haben die Delegierten des Parteitags leider die Chance verpaßt, die Parteibasis abzuholen und eine inhaltliche und personelle Neuausrichtung zu gestalten“, zeigte sich Mitsch vom Ergebnis des Digital-Parteitags enttäuscht. „Der neu gewählte Vorsitzende sollte nun alles tun, um auf den konservativen Parteiflügel einzugehen.“ 

Mitsch indes steht nach dem Wahlergebnis selbst vor einer neuen Herausforderung. So erklärte der Vorsitzende der bayerischen Werte-Union und Pressesprecher des Bundesverbandes, Felix Schönherr, er wolle für das Amt des Bundesvorsitzenden kandidieren. Seine Absicht, Mitsch die Führung streitig zu machen, verbindet Schönherr mit einer besonderen Intention: die WU von den Unionsparteien abzukoppeln und mit einer Parteigründung zu liebäugeln. Nach dem erneuten Scheitern von Friedrich Merz gebe es für die Werte-Union „nur eine Option: sich von den Unionsparteien unabhängig zu machen und das nun auseinanderfallende bürgerliche Lager zu sammeln“, teilte Schönherr auf einer eigens eingerichteten Internetseite mit. Damit dies gelinge, habe er unter dem Titel „‘Freiheit 2023’ eine nachhaltige und basisnahe Strategie für die Zukunft unseres Vereins entwickelt“.

Der Mitbewerber AfD wertet das Wahlergebnis des CDU-Parteitags als positives Signal für sich, aber als negatives für Deutschland: „Laschet steht für die nahtlose Fortsetzung der für Deutschland fatalen Merkelschen Durchwurstlpolitik ohne Kompaß und ohne jedes klare Wertegerüst“, sagte der AfD-Co-Vorsitzende Jörg Meuthen der jungen freiheit. „Es wird spannend, zu beobachten, wie sich nun die letzten verbliebenen konservativ-freiheitlichen Mitglieder der Union dazu verhalten werden. Wer dort jetzt immer noch bleibt, wird für das sich immer klarer abzeichnende schwarz-grüne Desaster mitverantwortlich sein.“ Sein Kollege Tino Chrupalla schrieb auf Twitter, damit sei „die AfD endgültig die einzig verbliebene freiheitlich-konservative Kraft in Deutschland“.





Falsche Freunde?

Eine Altlast könnte dem neuen CDU-Chef auf die Füße fallen. Denn in den vergangenen Jahren hatte sich im nordrhein-westfälischen Landesverband eine schleichende Unterwanderung durch verfassungsfeindliche türkische Nationalisten und Islamisten vollzogen. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern Ruprecht Polenz und Thomas Kufen wollte Armin Laschet die Union „bunter“ machen. Etwa durch das Deutsch-Türkische Forum der CDU (DTF), einer Lobbyorganisation für türkische Interessen, in das der damalige Integrationspolitiker Armin Laschet gut vernetzt war. Als die Unterwanderung des DTF durch die türkisch-rechtsextremen Grauen Wölfe immer offensichtlicher wurde, entschied sich die NRW-CDU unter ihrem Parteichef Laschet zur Gründung der „Union der Vielfalt (UdV)“, die 2016 in den „Landesfachausschuß für Integration“ umgewandelt wurde. Wobei die Mitglieder weitestgehend die gleichen blieben, die unter anderem gute Beziehungen zur DITIB und dem islamistischen Verein Milli Görüs unterhalten (JF 2/15 und 35/17). Zwei türkischstämmige Politikerinnen aus diesen Kreisen hatte Laschet dabei besonders unterstützt: Cemile Giousouf und Serap Güler. Kritiker werfen beiden Politikerinnen vor, unter dem Deckmantel einer gelungenen Integration türkische Interessen zu vertreten. Giousouf verschaffte er 2013 einen sicheren Listenplatz für den Bundestag. Heute wirkt sie als Vizechefin der Bundeszentrale für politische Bildung. Güler erhielt damals eine Absicherung für den Landtag und wurde von Laschet zur Staatssekretärin für Integration ernannt. Unter dem neuen Bundesvorsitzenden gehört sie ebenso wie Thomas Kufen dem CDU-Bundesvorstand an. (JF)