© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/21 / 22. Januar 2021

Auf sie mit Verdacht
Verfassungsschutz: Die Hinweise auf eine unmittelbar bevorstehende Beobachtung der gesamten AfD verdichten sich / Meuthen: „Werden uns juristisch wehren“
Lukas Steinwandter

Die Einstufung der AfD zum „Verdachtsfall“ durch den Verfassungsschutz steht Medienberichten zufolge unmittelbar bevor. Eine entsprechende Entscheidung soll Anfang nächster Woche fallen, meldeten am Dienstag übereinstimmend FAZ und Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Demnach liege dem Bundesinnenministerium ein rund eintausend Seiten umfassendes Gutachten vor. Über das Ergebnis der Entscheidung herrsche bereits „große Einigkeit“, sagte ein nicht namentlich genannter Landesinnenminister dem RND. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sei „mit im Boot“. 

AfD-Chef Jörg Meuthen teilte auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT mit, daß seiner Partei keine Kenntnisse von einer solchen Entscheidung des Verfassungsschutzes vorlägen. „Auf Presseberichte reagieren wir nicht.“ Sollten sich diese bewahrheiten, werde sich die Partei gegen „eine solche absurde Entscheidung mit dem vollen zur Verfügung stehenden juristischen Instrumentarium wehren“. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD Anfang 2018 zum „Prüffall“ erklärt. Den Regeln nach muß die Behörde binnen zwei Jahren entscheiden, was die Prüfung ergeben hat. Die Entscheidung müsse gerichtsfest und begründet sein und dürfe nicht im Umfeld von Wahlen verkündet werden. 

Bislang werden die Landesverbände von Thüringen und Brandenburg als „Verdachtsfälle“ geführt. Grund für die Beobachtung der Gesamtpartei ist den Berichten zufolge die Annahme der Behörde, daß der formal aufgelöste „Flügel“ der AfD immer weiter an Einfluß gewinnen konnte. In anderen Bundesländern  werden zumeist lediglich Teile der Partei wie der einstige „Flügel“ beobachtet (JF 43/20). Die AfD hatte in den vergangenen Monaten mehrere Kampagnen gestartet, mit denen sie Vorwürfe konterte, die Partei stünde nicht auf dem Boden des Grundgesetzes. Zuletzt veröffentlichten am Montag rund 30 Landes- und Bundesvorstände sowie andere Mitglieder relevanter Parteigremien eine „Erklärung zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen Identität“. Darin heißt es unter anderem: „Als Rechtsstaatspartei bekennt sich die AfD vorbehaltslos zum deutschen Staatsvolk als der Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Unabhängig davon, welchen ethnisch-kulturellen Hintergrund jemand hat, wie kurz oder lange seine Einbürgerung oder die seiner Vorfahren zurückliegt, er ist vor dem Gesetz genauso deutsch wie der Abkömmling einer seit Jahrhunderten in Deutschland lebenden Familie, genießt dieselben Rechte und hat dieselben Pflichten. Staatsbürger erster und zweiter Klasse gibt es für uns nicht.“

Zugleich sei es ein „völlig legitimes Ziel“, das „deutsche Volk, seine Sprache und seine gewachsenen Traditionen langfristig erhalten zu wollen“. Unterdessen hat die Brandenburger AfD sowohl vor dem Landesverfassungsgericht als auch vor dem Verwaltungsgericht Potsdam Klage gegen ihre Beobachtung durch den Landesverfassungsschutz eingereicht.