© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/21 / 22. Januar 2021

Frisch gepresst

Widmungen. Welche geistesgeschichtlichen Durchblicke Nebensächlichkeiten wie Widmungen von Büchern oder Partituren vermitteln, hat soeben, in einer Würdigung zu Ludwig van Beethovens 250. Geburtstag, der Musikredakteur Jan Brachmann demonstriert. Am Werkkatalog lasse sich ablesen, daß der Meister eine „lebenslange Widmungsbeziehung zu den Hohenzollern“ unterhielt, die seinem aristokratisch-konservativen Weltbild entsprang. Die von der Vormärz-Propaganda fabrizierte Legende vom „Jakobiner“ Beethoven sei also lediglich „linker Kitsch“ (FAZ vom 16. Dezember). Ähnlich erhellende Erkenntnisse lassen sich aus Martin Tielkes Studie über „Carl Schmitt als Widmungsautor“ gewinnen. Für den Staatsrechtler und „emblematischen Denker“ hatten unkonventionelle Widmungen, die ihre Zitate aus der europäischen Bildungsgeschichte schöpften, die Funktion eines hermeneutischen Schlüssels für das überreichte Werk. Er sollte den Leser zur „richtigen Lektüre“ anleiten. Was ausgerechnet bei Ernst Jünger scheiterte, der in seiner „Selbstverpanzerung“, wie CS verbittert notiert, nie die Anwandlung verspürte, mehr als die Widmungen der ihm zahlreich dedizierten juristischen Arbeiten Schmitts kennenzulernen. (dg)

Martin Tielke: Geniale Menschenfängerei. Carl Schmitt als Widmungsautor. Jahresgabe der Carl-Schmitt-Gesellschaft, Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2020, broschiert, 36 Seiten, Abb., 12 Euro





WIlder Osten. Vor nicht allzu fernen Zeiten genügte das Passieren der Oderbrücken, um Europas „wilden Osten“ kennenzulernen. In Polen, Tschechien, Ungarn oder dem Baltikum konnte man nach der Wende die abenteuerliche Transformation der postsowjetischen Gesellschaften miterleben. Spätestens nach ihrem EU-Beitritt sind diese Länder nicht nur im Selbstverständnis endgültig nach Mitteleuropa gerück. Der Reiseschriftsteller Ludwig Witzani hat sich daher etwas weiter östlich umgesehen, um Lebenswelten zu erkunden, die noch einen gewissen Reiz von Fremdheit versprühen. Zwischen Odessa und Belgrad erkundet er Regionen, die selbst vor 150 Jahren der – rückständigen – Peripherie zugeordnet wurden. Dabei variiert Witzani seine Schilderung lebhaft. Historische Rückblicke in Czernowitz wechseln mit persönlichen Eindrücken bettelnder Roma in Sofia oder den Schludrigkeiten bei der Abfertigung an der Grenze zu Moldawien. (bä)

Ludwig Witzani: Europas wilder Osten. Reisen durch Serbien, Bulgarien, Rumänien, Moldawien und die Ukraine. Epubli, Berlin 2020, broschiert, 340 Seiten, Abbildungen, 13,99 Euro