© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/21 / 29. Januar 2021

Jack Ma ist wieder da! Doch kein Grund zur Entwarnung: Chinas KP bleibt gefährlich.
Ein Wort zuviel
Albrecht Rothacher

Mancher fürchtete schon, er bleibe für immer ver-schwunden. Doch nun ist eine 50sekündige Videobotschaft aufgetaucht, in der Jack Ma seinen Mitarbeitern liebe Grüße sendet. Was harmlos wirkt, ist es nicht – jeder weiß, Mas dreimonatiges Verschwinden ist eine Warnung an alle: Der nächste meldet sich vielleicht gar nicht mehr.

Im Oktober hatte Ma, mit 53 Milliarden Dollar Vermögen der zweitreichste Mann Chinas, die Staatsbanken und die Finanzaufsicht des Landes wegen ihrer Innovationen behindernden Regulierungswut attackiert. Seitdem wurde er weder gesehen noch gehört, trotz einer Neigung zu spektakulären Auftritten, mit denen er seine Erfolge gerne öffentlich feiert. Zudem sagten die Behörden einige Tage später auch den unmittelbar bevorstehenden Börsengang seiner Finanzgruppe „Ant“ in Hongkong und Schanghai ab, der mit einer Kapitalisierung von 34 Milliarden Dollar der größte in Chinas Geschichte gewesen wäre. Und sie entzogen Ant die Lizenz, weiterhin Kredite zu vermitteln – dank ihrer riesigen Kundendatenbank waren das bisher über eine halbe Milliarde! 

Der 53jährige Manager, der eigentlich Ma Yun heißt, hatte in jungen Jahren als Englisch-Übersetzer in Kalifornien das Internet entdeckt – und das Geheimnis des amerikanischen Erfolgs: „Amerikas Stärke ist auf sein christliches kulturelles Erbe gebaut: Aus seinem Glaubenssystem entstand sein Rechtssysten und daraus sein politisches System ... Bildung, Wohlfahrt, soziale Struktur, alles entwickelte sich aus (Amerikas) christlichem Fundament!“ 1995 gründete er als Start-up die erste Internet-Firma in China, die ab 1999 unter dem Namen Alibaba, inklusive des Bezahlsystems Alipay, zur größten nichtamerikanischen Fernhandelsgesellschaft wuchs.

Im letzten Jahr hat Ma, der für China die offene Marktwirtschaft befürwortet, den Vorsitz Alibabas niedergelegt und angekündigt, sich nur noch der weltweiten philanthropischen Arbeit seiner Stiftungen und seinen Weingütern in Bordeaux zu widmen. Doch war er den paranoiden Machthabern in Peking noch immer zu reich, unabhängig und mächtig. Einem halben Dutzend Milliardären ist in China bisher das Schicksal des Verschwindens widerfahren. Und entweder tauchten sie nach einigen Monaten geläutert und kleinlaut wieder auf, oder es wurde ihnen ein Prozeß wegen Korruption gemacht, bei dem Enteignung und Todesstrafe drohen. Gegen Alibaba geht es in Anbetracht seines unermeßlich großen Schatzes an Kundendaten um den Vorwurf des Mißbrauchs seiner Monopolstellung. Wie das Verfahren ausgeht, ist unklar.

Ebenso wie weiterhin das Schicksal Mas. Die Moral von der Geschichte ist aber einmal mehr: Niemand fordert ungestraft die Kommunistische Partei, die Politik ihres Vorsitzenden auf Lebenszeit und Macht und Interessen der von ihr kontrollierten Staatskonzerne heraus. Und sei er auch der erfolgreichste Internet-Unternehmer im Reich der Mitte.