© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/21 / 29. Januar 2021

Der große Umbau
Kampf gegen Rechts: Der „Maßnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus und Rassismus“ ist vor allem ein Sieg linker und migrantischer Lobbygruppen – ihr Einfluß wächst
Björn Harms

D er Plan von Berlins Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Elke Breitenbach (Linkspartei), den Öffentlichen Dienst in der Hauptstadt durch eine Migrantenquote endlich „diverser“ zu gestalten, hat in den vergangenen Wochen einiges an Staub aufgewirbelt. „Verfassungswidrig“, sagen die ersten Staatsrechtler. Die Quote werde die Spaltung der Gesellschaft vorantreiben, meinen CDU- und AfD-Politiker. Sogar der Koalitionspartner SPD ging vorerst auf Distanz zu dem Gesetzentwurf. Breitenbach kann die Kritik kaum nachvollziehen. Daß es ein Problem gebe, sei doch offensichtlich, wunderte sie sich in der vergangenen Woche im Spiegel. In Berlin hätten 35 Prozent der Menschen einen Migrationshintergrund. „Wir brauchen verbindliche Regelungen, damit sich etwas ändert.“

„Zivilgesellschaftliche Akteure“ geben Richtung vor

Bundesweit dürften derartige Quoten und Vorschläge nur mehr eine Frage der Zeit sein. Die ideologische Stoßrichtung über die Bundestagswahl 2021 hinaus gibt der im November durch die Bundesregierung veröffentlichte und am 2. Dezember beschlossene „Maßnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus und Rassismus“ vor, der in insgesamt drei Sitzungen des eigens geschaffenen Kabinettsausschusses seit Mai 2020 erarbeitet wurde.

Zwar mag dem hehren Ziel der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus wohl kaum jemand widersprechen, doch zeigt das Papier gleichzeitig eindrucksvoll auf, wie bestimmte linke und migrantische Lobbygruppen es geschafft haben, über Jahre hinweg ihren Einfluß auf die Politik zu zementieren – und sich als Anhänger der „Critical Race Theory“ (frei übersetzt: „kritische Rassentheorie“) teilweise selbst rassistischer Muster bedienen. Über eine dieser Lobbygruppen, das DeZIM-Institut aus Berlin-Mitte, wurde an dieser Stelle bereits ausführlich berichtet (JF 52/20).

Doch ist das wissenschafliche Institut natürlich nicht die einzige Interessenvertretung: Für die Ausarbeitung des 89-Punkte-Programms seien „zahlreiche Akteure der Zivilgesellschaft, von Migrantenorganisationen sowie Vertreter aus dem Bereich Wissenschaft“ eingeladen worden, „sich in die Arbeit des Kabinettsausschusses einzubringen“, bestätigt ein Sprecher des Innenministeriums der JUNGEN FREIHEIT. In zwei Voranhörungen sowie einer Anhörung in der zweiten Sitzung des Kabinettsausschusses am 2. September hätten die entsprechenden Gruppen und Personen „zahlreiche Impulse“ geliefert. 

Impulse, die scheinbar so eindrucksvoll waren, daß die Wortwahl im Papier den Verdacht nährt, sie könnten direkt von den Lobbygruppen selbst stammen. Wenn etwa in Punkt 81 vom „Empowerment von Migrantenorganisationen“ gesprochen wird, erinnert das wohl kaum an den sonst üblichen Beamtensprech des Innenministeriums, das dem Kabinettsausschuß federführend vorsitzt. 

Es ist zudem kein Versehen, daß unter Punkt 47 in der Phrase „muslimische, migrantische oder Schwarze Jugendinitiativen“, ein großes S verwendet wird, obwohl es grammatikalisch falsch ist. Anhängern der „Critical Race Theory“ geht es dabei um die Sichtbarkeitmachung von systematischer Ausgrenzung und Ungleichheit. Das Wort „weiß“ wird in dieser ideologischen Gedankenwelt klein und kursiv dem Begriff „Schwarz“ entgegengestellt, um so die unterschiedlichen sozialen Positionen in einer „rassistisch strukturierten Gesellschaft“ zu beschreiben.

Vierte Sitzung findet im Frühjahr 2021 statt

„Die Bundesregierung macht mit dem Maßnahmenkatalog die Auffassungen der ‘Critical Race Theory’ gewissermaßen zur Staatsdoktrin“, kritisiert der AfD-Bundestagsabgeordnete Marc Jongen im Gespräch mit der JF. Diese würden „aus einem linksradikalen ideologischen Kontext stammen und – fernab aller wissenschaftlichen Objektivität – ein anti-weißes Ressentiment offen zur Schau tragen“, ist sich der Obmann im Ausschuß für Kultur und Medien sicher. 

Rassismus könne nach dieser Doktrin „immer nur von Weißen ausgehen, niemals gegen Weiße in Betracht kommen“. Der deutschen Mehrheitsgesellschaft werde ein „struktureller Rassismus“ unterstellt, „egal wie schlecht das zu der Tatsache paßt, daß Migranten aus aller Welt in großer Zahl in Deutschland Einlaß begehren“. Jongen verweist in diesem Zusammenhang auf den französischen Philosophen Alain Finkelkraut, der dem „neuen Anti-Rassimus“ kürzlich ein totalitäres Potential attestierte, das darauf hinauslaufe, unter dem Deckmantel der Gleichheit die europäische Zivilisation zu zerstören. 

Doch zurück zum Maßnahmenkatalog: Welche Lobbygruppen genau bei den Anhörungen vorsprachen, will die Bundesregierung bislang noch nicht preisgeben. Eine ausführliche Dokumentation der Voranhörungen werde dem Abschlußbericht des Kabinettsausschusses beigefügt, „dessen Erstellung derzeit durch das Bundesministerium des Innern koordiniert wird“, heißt es auf Nachfrage. Diese vierte Sitzung des Kabinettausschusses soll voraussichtlich im Frühjahr 2021 stattfinden.

Dann dürfte auch Genaueres über die Verteilung der bewilligten Fördermittel in Höhe von rund einer Milliarde Euro bekanntwerden, die anhand des Katalogs bis 2024 verteilt werden sollen. Welche Organisationen wieviel erhalten, darüber schweigen sich die Ministerien derzeit ebenfalls noch aus. Anfragen bleiben ergebnislos. Stattdessen aber warnt das Bundesministerium für Bildung und Forschung gegenüber der JF erneut eindringlich: „Vom Rechtsextremismus geht derzeit die größte Bedrohung für die öffentliche Sicherheit in Deutschland aus.“ 

Die Netzwerke der im Papier erwähnten Organisationen und Lobbygruppen sind dabei eng gestrickt. Häufig genug kommen die entscheidenden Personen aus dem „Versuchslabor“ Berlin, wo die eingangs erwähnte Migrantenquote keinesfalls eine plötzliche Spontanidee der verantwortlichen Senatorin war, sondern durch gezielte Lobbyarbeit von langer Hand vorbereitet wurde.

So war die ursprünglich aus Wismar stammende Anwältin Thu Lan Böhm lange Zeit verantwortlich für die Initiative „Mehr Vielfalt in der Berliner Justiz“, deren Ziel es ist, die „gesellschaftliche Vielfalt in den nicht-richterlichen Justizberufen auszubauen“. Das Projekt wurde im Auftrag des Senats von der Lobbygruppe BQN Berlin e.V. ausgeführt, die sich häufig auch in Stellungnahmen zu Gesetzestexten zu Wort meldet. 

Diese sollten sich stets danach richten, „Migrationsgeschichte als Reichtum zu bewerten“ und demnach „positiv konnotiert bleiben“, schreibt BQN. Bei Berufseinstellungen seien „rassistisch diskriminierte Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund vorrangig zu berücksichtigen“. Wobei beides eigentlich dasselbe meint, da laut der Definition linker NGOs autochthone Deutsche nun mal nicht rassistisch diskriminiert werden können.

Nun leitet Lan Böhm die Regiestelle des Bundesprogramms „Zusammenhalt durch Teilhabe“. Das jährlich mit zwölf Millionen Euro geförderte Projekt wird in Punkt 8 des Maßnahmenkatalogs explizit genannt. Es soll ausgebaut werden, unter anderem durch weitere „Projekte zur Stärkung demokratischer Teilhabe und gegen Extremismus“. Im Mittelpunkt stehen dabei „regional verankerte Vereine, Verbände und Multiplikatoren“, es soll also bis in den Amateursport und die freiwilligen Feuerwehren hineingewirkt werden. Von sogenannten Coaches können sich Hilfswillige in Workshops als „Demokratieberater*innen“ ausbilden lassen, um die Dorf- oder Vereinsgemeinschaft über Rassismus und Diskriminierung aufzuklären. Und Rassismus, so hieß es zuletzt in einer digitalen Veranstaltungsreihe von „Zusammenhalt durch Teilhabe“, konzipiert vom „Kollektiv afrodeutscher Frauen Schleswig-Holstein“, sei nun einmal „in unserem Wertesystem tief verankert“ und bestimme „unser Miteinander jeden Tag“.

Auch andere Projekte, die sich auf das ländliche Deutschland beziehen, lassen aufhorchen. Laut Stichpunkt 55 des Katalogs, der sich mit dem Modellprojekt „Zukunftswerkstatt Kommunen – Attraktiv im Wandel“ befaßt, plant die Bundesregierung eine „Förderung der Diversität in Kommunen zur Bewältigung der Folgen des demographischen Wandels (z.B. Arbeitskräftemangel)“.

Was ist damit gemeint? Sollen hier Menschen mit Migrationshintergrund gezielt in bestimmten Gebieten angesiedelt werden, die vom Arbeitskräftemangel bedroht sind? Eine Nachfrage beim zuständigen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ergibt eine nichtssagende Antwort: „Das Modellprojekt wendet sich an Kommunalverwaltungen und unterstützt sie bei der individuellen Entwicklung von Strategien und Initiativen zur Bewältigung von Folgen des demographischen Wandels vor Ort“, teilt eine Sprecherin mit. „Dabei sollen Bürgerinnen und Bürger in ihrer gesamten Vielfalt beteiligt und die Chancen, die sich daraus ergeben, berücksichtigt werden.“

Grünen geht „Kampf gegen Rassismus“ nicht weit genug

„Chancen“, „Vielfalt“, „Wandel“,  „Ausbau der Diversität“, „Gesetzesänderung“, „politische Bildung“ und „Prävention“ – die Begrifflichkeiten im Maßnahmenkatalog wiederholen sich bisweilen. Eines ist jedoch sicher: Gerade die Grünen werden ihren Druck auf mögliche Koalitionspartner, den Umbau Deutschlands voranzutreiben, noch weiter verschärfen.

Der Maßnahmenkatalog in seiner derzeitigen Form biete „keine Vision für die Gestaltung einer antirassistischen und chancengerechten Einwanderungsgesellschaft“, kritisierte vor zwei Wochen etwa die migrationspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Filiz Polat, auf der Online-Seite der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung. „Hierfür benötige es eine „koordinierte und kohärente Gesamtstrategie, in der das Problemfeld intersektional bearbeitet wird.“ Intersektional, das heißt gemessen an den vielfachen Diskriminierungen, denen eine Person ausgesetzt sein kann. Der Mensch soll also künftig immer weniger an Leistungen gemessen werden. Herkunft, Hautfarbe oder sexuelle Präferenzen spielen wieder eine Rolle.

 www.bundesregierung.de