© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/21 / 29. Januar 2021

Volle Konzentration auf Audio
Schmerzlich vermißte Gespräche im Lockdown: „Clubhouse“ stürmt die App-Charts mit digitalen Talkrunden
Christian Schreiber

Spätestens seit Bodo Ramelows (Linkspartei) Plauderei aus dem Nähkästchen ist die App Clubhouse in aller Munde. Der thüringische Landeschef hatte dort in einer virtuellen Unterhaltung berichtet, sich bei den Ministerpräsidentenkonferenzen gelegentlich Smartphone-Spielen zu widmen. Zudem sprach er in Bezug auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vom „Merkelchen“. 

Der Haken an dem Ganzen: Zeitweise hörten wohl mehr als 1.000 Teilnehmer die ungehemmten Äußerungen des Linken-Politikers in der semi-öffentlichen Gesprächsrunde mit. Was zunächst wie ein Plausch im kleinen Kreis erscheint, ist eigentlich gar nicht so privat. 

Im Clubhouse wird miteinander geredet, live und ohne Bild, wie bei einem interaktiven Podcast. Im Gegensatz zu Plattformen wie Twitter oder Instagram können Beiträge nicht schriftlich kommentiert oder „Likes“ vergeben werden. Die Anwendung setzt konsequent auf Audio. 

Der Anbieter Alpha Exploration aus Salt Lake City beschreibt sie als „eine neue Art von sozialem Dienst, der auf Sprache basiert und es Menschen überall auf der Welt ermöglicht, sich zu unterhalten, Geschichten zu erzählen, Ideen zu entwickeln, Freundschaften zu vertiefen und interessante neue Leute zu treffen“. Beim Öffnen der Anwendung werden auf der Startseite verschiedene Diskussions-Räume angezeigt. Das hat etwas von einer virtuellen Bar, einem Treffpunkt für Smalltalk, und der kommt in Zeiten des Dauer-Lockdowns zu kurz. 

„Bislang sind vorwiegend Bewohner der Medien- und Marketingblase ins Clubhouse eingezogen. Dazu Politikberater und politisches Spitzenpersonal“, spottet Spiegel Online: „Eliten unter sich“. Bei Clubhouse muß man sich mit seinem echten Paßnamen anmelden; und man muß von einem aktiven Nutzer eingeladen werden. Und hier zeigen sich bereits Ausgrenzungsmechanismen. Als die „Achgut.com“-Kolumnistin Anabel Schunke mit anderen Journalisten über das Thema „Lügenpresse“ sprach, setzte auf Twitter sofort die übliche Cancel-Hetze ein, wie die Kollegen dabei nur mitwirken konnten. 

Daß sich mehrere Protagonisten daraufhin sofort distanzierten, gibt einen Vorgeschmack auf die künftige Entwicklung. Die Sichtung mehrerer Politiker dürfte dabei kein Zufall sein. In den anstehenden Wahlkämpfen könnte die App geeignet sein, vor allem junge Zielgruppen zu erreichen.