© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/21 / 05. Februar 2021

Hayek, Hauen und Stechen
Austritte: Die renommierte Gesellschaft streitet über den Umgang mit der AfD
Lukas Steinwandter

Aus Protest gegen eine angeblich zu geringe Abgrenzung zur AfD haben mehrere führende oder prominente Mitglieder die Hayek-Gesellschaft verlassen. Unter denen, die der Gesellschaft nun den Rücken kehren, sind die beiden Stellvertreter des Vorsitzenden Stefan Kooths. „Reden und Handeln der AfD stehen in einem fundamentalen Widerspruch zum Eintreten der Hayek-Gesellschaft für eine freie und offene Gesellschaft“, zitierte der Spiegel aus dem Austrittsschreiben des Nürnberger Politologen Christoph Zeitler. Noch schärfer formulierte es der Unternehmer Frederik Roeder: „Ohne klare Trennung von Hayeks Werk und den Lakaien der AfD sehe ich keine Zukunft in der Gesellschaft“, erklärte Roeder dem Magazin. Auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler habe die Gesellschaft verlassen.

Grund für die jüngsten Austritte ist ein von der „Friedrich August von Hayek-Stiftung für eine freie Gesellschaft“ ausgelöster Streit über den Umgang mit der AfD. Der Stiftungsrat hatte am Freitag vergangener Woche mitgeteilt, es habe in der Vergangenheit „auffällige Versuche von AfD-Mitgliedern gegeben, die Mitgliedschaft in der Hayek-Gesellschaft zu erwerben“. Angesichts der sich anbahnenden Hochstufung der AfD durch den Verfassungsschutz zum rechtsextremen „Verdachtsfall“ sei eine AfD-Mitgliedschaft „unvereinbar mit den Anliegen, dem Werk und der Person Friedrich Augusts von Hayek“. Die Stiftung werde deshalb „mit sofortiger Wirkung Veranstaltungen und Projekte weder finanziell noch ideell fördern, an denen AfD-Mitglieder oder Mitarbeiter von Partei und Fraktionen in welcher Form auch immer teilnehmen“. Zweck der Stiftung ist in erster Linie die Förderung der Hayek-Gesellschaft. Aus diesem Grund wandte sich Kooths am Tag darauf in einem Schreiben an die Gesellschaftsmitglieder. Darin warf er dem auf Lebenszeit amtierenden und sich selbst rekrutierenden Stiftungsrat vor, seit Monaten zu versuchen, die Gesellschaft „dem Einfluß der Stiftung unterzuordnen“.

„Auch der aktuelle Versuch, nahezu über Nacht eine umfassende Stellungnahme zu einer möglichen Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz erzwingen zu wollen, fügt sich in die Versuche des Stiftungsrats ein, die Souveränität der Hayek-Gesellschaft zu untergraben“, schrieb Kooths in der E-Mail, die auch der JUNGEN FREIHEIT vorliegt. Obwohl noch nicht einmal eine Entscheidung über die Einstufung erfolgt sei, „soll der Gesellschaft eine Haltung vorgegeben werden, indem andernfalls der Wegfall der Finanzierung gemeinsamer Projekte angedroht wird“.

„Verfehlte Debatte“ möglichst rasch beenden

Der Forscher am Kieler Institut für Weltwirtschaft wiederholte seine Äußerung aus einer bereits zuvor an die Gremienmitglieder von Stiftung und Gesellschaft übermittelten Nachricht: „AfD-Nähe ist zu einer politischen Kampfvokabel geworden, ähnlich der Nazi-Keule oder dem Vorwurf des Rechtspopulismus. Kollektivistisch-konstruktivistischen Kräften dienen diese Etiketten auch dazu, die liberalen Gesellschaftsvorstellungen hayekianischer Prägung zu desavouieren.“

Deutlich äußerte sich auch die „Inge & Edmund Radmacher Stiftung für eine Gesellschaft freier Bürger zu Düren“, die die Hayek-Stiftung und damit auch die -Gesellschaft maßgeblich finanziert. In einem Brief an die Mitglieder der beiden Hayek-Institutionen, der der JF vorliegt, heißt es: „In diesen Vorgängen sehen wir einen eklatanten Machtmißbrauch durch Teile des aktuellen Stiftungsrates.“ Die Stiftung solle ihre Satzung ändern, so daß deren Mitglieder nicht mehr auf Lebenszeit oder bis zum Rücktritt amtieren können.

Das Schreiben endet mit der Drohung: „Es versteht sich eigentlich von selbst, sei aber der Klarheit halber ausgesprochen, daß wenn wir den Stiftungszweck unseres Vaters nicht mehr gewährleistet sehen, wir die Finanzierung ihrer Organisation einstellen werden.“ Der Unternehmer Edmund Rademacher hatte 2002 die Hayek-Stiftung mit einem Kapital von 20 Millionen Euro gegründet.

Die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagfraktion Beatrix von Storch, die wie der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Peter Boehringer, Mitglied der Hayek-Gesellschaft ist, vermutet parteipolitische Gründe hinter dem Streit. „Eine Gruppe im Stiftungsrat um den FDP-Politiker Frank Schäffler trägt den Kampf gegen den politischen Mitbewerber in die Hayek-Gesellschaft“, sagte von Storch am Montag der JF. „Er versucht damit eine der Wissenschaft und Forschung verpflichtete Gesellschaft für seine parteipolitischen Ambitionen zu instrumentalisieren.“ Sie sei darüber besonders enttäuscht, „weil Schäffler mit seinem Anti-Europrotest 2013 zu den wichtigen Impulsgeben für die Gründung der AfD gehört“. Offensichtlich wolle er „von seiner historischen Rolle für die Entstehung der AfD ablenken und sich bei den Linksliberalen in seiner Partei anbiedern“. Tatsächlich äußern auch andere Stimmen aus Kreisen der Hayek-Gesellschaft die Vermutung, parteipolitische Motive stünden hinter dem Konflikt. Womöglich wolle FDP-Mann Schäffler so seine Chancen auf einen aussichtsreichen Listenplatz für die Bundestagswahl erhöhen. Der faktische Einfluß von AfD-Mitgliedern in der Gesellschaft tendiere „gegen null“. Eine Anfrage der JF hatte Schäffler bis Redaktionsschluß nicht beantwortet. 

Unterdessen teilte die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, noch am Montag abend – für manchen überraschend – mit, sie trete aus der Gesellschaft aus. „Dieser Schritt ist mir schwergefallen, aber er erscheint mir in der aktuellen aufgeheizten Stimmung vernünftig und sinnvoll, damit eine völlig verfehlte Debatte möglichst rasch ein Ende nehmen kann“, heißt es in dem Schreiben an Kooths, das der JF vorliegt. Darin schrieb Weidel, sie habe sich „bis heute weder von den Werten der Hayek-Gesellschaft entfernt, noch einen Konflikt mit dem Präsidium oder anderen Gremien geführt“.