© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/21 / 05. Februar 2021

Alle Blicke richten sich nun auf den Präsidenten
Portugal: Eine linke Mehrheit im Parlament stimmt für die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe
Felix Hagen

Nach heftigen Debatten stimmte das portugiesische Parlament für die Legalisierung medizinisch begleiteter Sterbehilfe. Der Gesetzentwurf wurde mit einer Mehrheit von 136 Ja-Stimmen gegenüber 78 Nein-Stimmen und vier Enthaltungen in der Assembleia da República angenommen. In dem Parlament des Einkammersystems hat momentan ein linkes Bündnis aus der alten sozialistischen Partei und mehrerer kleiner Zusammenschlüsse aus Kommunisten und Grünen eine Mehrheit unter Führung von Ministerpräsident Antonio Costa. Das Gesetz sieht für eine Situation „extremen Leids“ ein „Recht auf Sterbehilfe“ für Erwachsene vor, das allerdings unter dem Vorbehalt ärztlicher und psychiatrischer Zustimmung steht, falls Zweifel an der Fähigkeit zu einer „freien und aufgeklärten“ Entscheidung bestehen. 

Auch Spanien könnte aktive Sterbehilfe einführen

Um einem Sterbetourismus vorzubeugen, soll die Regelung nur für portugiesische Staatsbürger mit Wohnsitz in Portugal gelten. Portugal ist damit das vierte EU-Land nach Belgien, den Niederlanden und Luxemburg, das eine Legalisierung der Sterbehilfe vorsieht.Im vergangenen Dezember hatte sich bereits das spanische Abgeordnetenhaus für die aktive Sterbehilfe ausgesprochen, die Zustimmung des Senats steht jedoch noch aus. Zuletzt scheiterte in Portugal ein ähnlicher Gesetzesentwurf 2018 im Parlament an einer starken konservativen Fraktion und einigen Abweichlern aus dem linken Lager.

Die Abstimmung war unter erschwerten Bedingungen vonstatten gegangen. Aufgrund der Pandemie konnte nur in drei Etappen abgestimmt werden. Ein Umstand, der bei der anstehenden Entscheidung des konservativen Präsidenten Marcelo Rebelo de Sousa eine Rolle spielen könnte. 

Dieser gilt als Gegner des Vorhabens und kann das Gesetz noch entweder durch sein Veto zu Fall bringen oder dem Verfassungsgericht zur Prüfung vorlegen. De Sousa ist gläubiger Katholik, ein Umstand, auf den besonders die einflußreiche katholische Bischofskonferenz baut. Diese hatte den Staatspräsidenten in einer Erklärung dazu aufgerufen, das Gesetz zu verhindern. „Die Position der Kirche hat sich nicht geändert“, so ihr Sprecher Manuel Barbosa. Sollte Staatspräsident de Sousa sein Veto einlegen, könnte er in einer zweiten Abstimmung im Parlament überstimmt werden. 

Befürworter des Gesetzes wie der pensionierte Onkologe Jorge Espirito Santo verweisen auf das „Recht auf eine freie Entscheidung des Einzelnen“. Der Mediziner hatte im Vorfeld medial für die Zustimmung geworben und besonders auf den Zustand von Krebspatienten im Endstadium hingewiesen.