© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/21 / 05. Februar 2021

Ghettoleben im Urlaubsparadies
Kanaren: Schlägereien, Raubüberfälle und Einschüchterungen, Kommunen schlagen Alarm
Jörg Sobolewski

Unter Touristen aus Europa gilt der Ferienort Maspalomas auf den Kanarischen Inseln als beliebter Urlaubsort mit einer im Vergleich zu den Bettenburgen auf dem Festland geringeren Bebauungsdichte inmitten von Dünen gelegen. Der Ort, der bisher meist für seine besondere Offenheit für Touristen aus der schwul-lesbischen Community bekannt war und neben dem einzigen FKK-Strand der Region auch einen pittoresken Leuchtturm und unzählige weitere Badegelegenheiten bietet, sieht sich nun jedoch einem vergleichsweise neuen Ansturm ungebetener Gäste gegenüber. 

Der neue „Trend“, so die spanische Zeitung Okdiario, in der Touristenhochburg seien „Schlägereien, Raubüberfälle und Einschüchterungen“. Zuletzt wurde in der Kleinstadt Valsequillo eine Anwohnerin von mehreren Einwanderern zusammengeschlagen und so schwer verletzt, daß sie stationär im Krankenhaus behandelt werden mußte.

Die Dame mittleren Alters hatte in der Abenddämmerung Kräuter und Blumen in der Umgebung der Stadt gepflückt.

Von „Ghettos“ und „No-go-Areas“ spricht auch die Interessenvertretung der spanischen Polizeisondertruppe „Policía h50“ und bezeichnet die Lage in ihrer Pressemitteilung als „bald außer Kontrolle“. Tatsächlich sehen sich die Kanaren seit geraumer Zeit einer vergleichsweise hohen Zahl illegaler Einwanderer vom afrikanischen Kontinent gegenüber, die bei ruhiger See von der umstrittenen Südsahara aus versuchen, den südlichsten Außenposten der Europäischen Union zu erreichen. 

„Wir haben kaum Streifenpolizisten“

Allein im November des vorigen Jahres erreichten nach Angaben der zuständigen Behörden 8.157 Neuankömmlinge auf diesem Weg die Ferieninseln, eine Steigerung um das Zehnfache, verglichen mit demselben Zeitraum im Jahr 2019. 

Vor allem für die Tourismusorte eine kaum zu bewältigende Last. Gerade in der Nebensaison, die aufgrund der Corona-Pandemie noch schwächer als sonst ausfällt, beherbergen viele Orte wie Maspalomas wenige tausend Menschen, stehen Hotels und Geschäfte leer. Eine trübe Kulisse, vor der sich nun um so hungriger die Neuankömmlinge scharen, denen sich das als „wohlhabendes Europa“ versprochene Land verschlossen und leer präsentiert. 

Zumal die Regierung in Madrid wiederholt verkündete, keinesfalls den Weitertransport der Migranten auf das europäische Festland ohne abgeschlossenes Asylverfahren zu genehmigen. Eine explosive Situation, die durch eine mangelnde personelle Ausstattung der Polizeibehörden noch verschärft wird „Wir haben kaum Streifenpolizisten, während die Bevölkerung dramatisch zugenommen hat, wurde unser Personaletat nicht erhöht“, so Serafín Giraldo, Pressesprecher von Policia h50 im Interview mit der Zeitung Okdiario. Seine Befürchtung: „Die Entwicklung von Ghettos in unseren Städten, wo sich die Polizei nicht mehr hineintraut und die Einwanderer ihre Parallelgesellschaft errichten.“

Eine Befürchtung, die auch viele Bürgermeister der Insel teilen, „sie treten nur noch in Gruppen auf, sie schüchtern ein und schaffen ein Klima der Angst“, so Bürgermeisterin Onalia Bueno. Sie ist Stadtoberhaupt von Mogán, einer Kleinstadt auf Gran Canaria. Die Lokalpolitikerin gilt in der Region als besonders lautstarke Kritikerin der illegalen Einwanderung. Andere Amtsinhaber stimmen ihr jedoch zu. 

Die Urlaubssaison naht und setzt Madrid unter Druck

Auch die Sozialistin Conchi Narváez, Bürgermeisterin von San Bartolomé de Tirajana, einem weiteren Ferienort an der Küste. Sie kritisiert besonders die Entscheidung der Regierung, die obdachlosen Einwanderer in leerstehenden Hotels unterzubringen. Seit November wohnen in ihrer Ortschaft 2.600 illegale Einwanderer in sieben verschiedenen Hotelanlagen. „Von Beginn an eine schlechte Idee, das ist nicht der geeignete Ort einer Unterbringung“, erklärt sie. 

Narváez kritisiert ihre Parteigenossen in der Regierung von Premier Pedro Sánchez. Dort, so fürchtet sie, ließe man sich Zeit, um das Problem der illegalen Einwanderung auf den Kanaren zu konzentrieren, wie sie im Gespräch mit der  konservativen spanischen Onlinezeitung El Español berichtete. 

Der Druck auf die sozialistische Regierung in Madrid dürfte weiter zunehmen, denn schließlich rückt die Urlaubssaison 2021, die auf den Kanarischen Inseln traditionell früher als auf dem Festland anfängt, mit jedem Tag etwas näher. 

Gerade nach der durchwachsenen Saison im vergangenen Jahr hoffen Hoteliers und Gewerbetreibende auf ein gutes Tourismusgeschäft in diesem Jahr. Ghettos und eine überforderte Polizei passen da weniger gut in die Planung. Ein Umstand, auf den auch die rechtskonservative Partei Vox hinweist und „Recht und Ordnung“ für den Sommer einfordert.