© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/21 / 05. Februar 2021

Zeitschriftenkritik: Anbruch
Versöhnung mit der Natur
Werner Olles

Die neuzeitliche Dualität von Natur und Kultur ist eine von Widersprüchen. Der globalisierte Kapitalismus, die Totalitarisierung der Warenform, kennt die Natur nur verdinglicht, über die Freizeit und als lustbringende Exzessivität sogenannter Grenzerfahrungen. Ökonomisch verfügbar gemacht in Windkraftanlagen, Flußbegradigungen, Abholzung von Wäldern für Industrie und Wohnlagen etc. wird die Natur zur begehrten Ware mit hohem Tauschwert, eine Freifläche, auf der gleichzeitig eine Kultivierung des verlogenen Protests der „grünen“ Baumbesetzer stattfindet, die nur dort demonstrieren, wo eine Autobahn gebaut wird, während der Forstbestand des Märchenwalds den Machtinteressen des ökoindustriellen Komplexes geopfert wird, da dort ein Windkraftpark entsteht. Die moderne Trennung der Kultur von der organischen Welt der Natur, zu der auf transzendentaler Ebene auch das Naturrecht gehört, ist materialistisch nicht zu lösen, sondern kann nur als vitalistisches Verständnis zwischen Mensch, Dingwelt und Natur eingerichtet werden – als natürliches Interieur unserer Sinnenwelt.

Anbruch, das „Magazin für Kultur und Künftiges“, befaßt sich in seiner aktuellen Ausgabe (2/2020) schwerpunktmäßig mit dem Thema „Natur“. Neben ästhetischen, kosmologischen und theologischen Perspektiven geht es um „Schnittpunkte zweier Welten“, „Unberührtheit und Überformung“, wie es im Vorwort heißt: Herausgeber Tano Gerke beschreibt, wie notwendig es ist, in einer technisierten Gesellschaft neue Zugänge zur Natur zu erschließen, „um zu einer geistigen Versöhnung von Mensch und Natur beizutragen“. Von den Jugendbewegungen des 19. Jahrhunderts, den Maschinenstürmern, der Epoche der Romantik, die der entzauberten, säkularisierten Welt der Aufklärung den Wert des Besonderen und Organischen entgegensetzte, bis in die heutige Zeit von „Vernunft und Wissenschaft“, die uns blind machte für Träume, Phantasien, das Göttliche und Transzendente, hat die spezifisch deutsche Obsession der naturverbundenen Vergangenheitssehnsucht nie aufgehört zu existieren. Doch können wir nicht durch starkes Wollen, Radikalität oder Revolutionen den Weg zur Natur zurückfinden, sondern nur durch „ein tiefes Fragen nach unserer eigenen Existenz“.

Der Publizist Konrad Adam schildert in seinem Beitrag „Et Ego in Arcadia“ die Eindrücke einer Griechenlandreise, von grünen Tälern, gelben Feldern und den Kammlinien der Berge, die noch nicht von Gittermasten und Windrädern entstellt sind. Seine Kritik an den „Fortschrittsoptimisten und Eine-Welt-Propheten“ fällt gnadenlos aus: „Die Seuche hat das häßliche Gesicht der Einen Welt hervorgebracht und die Menschheit daran erinnert, daß sie sich beim Marsch in die Globalisierung mit einem Gegner angelegt hat, der stärker ist als sie. Die Elemente sind mit mir verschworen, sagt die Natur, und auf Vernichtung läuft’s hinaus. Die Menschen leben mit und in der Natur, und sie verwandeln sich in Bestien, wenn sie das vergessen.“

Kontakt: Tano Gerke, Postfach 350332, 04165 Leipzig. Das Einzelheft kostet 7,50 Euro.

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